AKTUELLE AUSTELLUNG
Andréa Bryan
Die Quelle, 2024
Wer kennt sie nicht, die Spaghettliegen und -Stühle, 1948 von Huldreich Altdorfer beim Experimentieren mit einer Wäscheleine erfunden und in den 50er und 60er Jahren in fast allen Gärten und auf zahlreichen Terrassen präsent?
„Die Quelle“ nennt Andréa Bryan die drei Flächen aus Gewinderohr, die sie mit Wäscheleine in unterschiedlichen Farben umwunden und gewebt hat. Die drei Flächen sind so arrangiert, dass sie schräg über einem dreieckigen Grundriss abfallen. In der Mitte bleibt eine Leerstelle – der Ursprung einer sprudelnden Quelle? Die Quelle impliziert Anfang, Ursprung, auch Wurzel. Denken wir an die drei Quellen, die unter den Wurzeln des nordischen Weltenbaumes Yggdrasil entspringen! Die persönlichen Wurzeln Andréa Bryan’s mögen etwas näher und greifbarer in ihrer Kindheit liegen. Sie erinnert sich mit innigen Gefühlen an die Spaghettistühle ihrer Kindheit auf der Farm der Großmutter – Geborgenheit, Wärme, Kraft. Die Installation ist einem schamanischen Objekt gleich mit jenen zärtlichen Gefühlen aufgeladen.
Wir können uns vorstellen, wie Erinnerungen einer sprudelnden Quelle ähnlich die drei kraftvollen Farben Rot, Grün und Blau entlang rinnen und fließen.
Was sind unsere Kraftquellen im Fluss des Lebens? (PD)
Jürgen Möller
Victim, 2024
Carrara Marmor
Zeitlos schön wirkt es – dieses edle Gestein aus Carrara. Insbesondere nach der Bearbeitung durch den Künstler Jürgen Möller erstrahlt es nun organisch geformt in seinem unverwechselbaren Charakter. Der Autodidakt weiß um die Möglichkeiten und Eigenschaften dieses hochwertigen Marmors aus der Toskana. Welche Form oder Gestalt der Stein annimmt, erschließt sich jedoch oft erst im Laufe des Verarbeitungsprozesses. Hier ist dem Künstler eine Skulptur gelungen, die uns z.T. ihr Innerstes preisgibt und deren glatte Oberflächen ausgezeichnet bearbeitet sind. Ein wahrhaft haptisches Erleben, die Skulptur mit den Händen zu erspüren. Der Titel dieser Arbeit lautet ‚victim‘ – Opfer. Ein Opfer sein oder ein Opfer bringen? Kauert hier ein wehrloses, verletzliches Wesen und sucht gar Schutz? Oder wird auf einem Sockel – einem Altartisch ähnlich – eine faszinierende Kostbarkeit der Natur präsentiert, die von Menschen- bzw. Künstlerhand in Formgebung und Oberflächenbeschaffenheit zusätzlich veredelt wurde? Ein grandioses Zusammenspiel von Mensch und Natur. (MF)
Kathrin Rabenort
Amalie – Amalie, 2023
Stoffbänder in Tannengrün und Magentarot umspielen einen runden sanduhrförmigen Körper, schwingen nach außen, flattern und tanzen im Wind, verhaken sich mit den Ästen der Umgebung. Assoziationen an frohe, ausgelassene Tänze um den Maibaum tauchen auf.
Die Kölner Künstlerin Kathrin Rabenort nimmt uns auf eine imaginäre Zeitreise in die Gründungsjahre des Schlossparks zwischen 1828 und 1838 mit. Zu dieser Zeit lebten die Namensgeberinnen der Installation – Amalie Jessen und Caroline Amalie von Augustenburg. Ihre Freundschaft bildet das zentrale Thema des Werkes, metaphorisch aufgegriffen durch die zweifarbigen Bänder. Zudem erinnert der zentrale textile Körper an ein Korsett, ein Kleidungsstück, das von den beiden Frauen in ihrer Zeit getragen wurde. Es entsteht ein Spiel zwischen dem abwesenden Körper und dem Textil – einem Textil mit der Besonderheit, dass es den Körper nicht nur umhüllt, sondern auch formt. Die Bänder, die zufällig durch das Windspiel auf verschiedenen Höhen mit dem Astwerk der umgebenden Bäume verwoben werden, wirken auf das Textil ein. Je nach Beschaffenheit der Kräfte ziehen und zerren sie, lassen in der Spannung nach oder umwinden. Ein Tanz verschiedener, manchmal auch gegenläufiger Kräfte!
Übrigens wurde die Installation ursprünglich für einen Pavillon, den Amalie Jessen von ihrer Freundin als Geschenk für ihren Garten erhielt, geschaffen und ist nun über Pfingsten im Schlosspark zu sehen. (PD)
Nikita Krugljakov (Kit Krug)
A sense of place, 2024
Holzpfosten, Lack
Die ort- und zeitspezifische Installation ‚A sense of place‘ ist einem merkwürdigen Baum im Schlosspark Stammheim gewidmet. Wie ein Spieß schießt er aus der Erde gen Himmel, unbeholfen wirken seine wenigen kahlen Zweige – ein Dorn im Auge des Betrachters. Das Werk macht den Raum um diesen Baum im Jahresverlauf sichtbar. Die 2,70 m hohen Holzpfosten markieren die Vertikale, mehrere Pfosten gestalten kollektiv die Raumtiefe. Die Anordnung der Pfosten wiederum erschafft aus dem Raum einen Ort mit fließenden Grenzen. Innen und Außen, Zentrum und Peripherie, Ordnung und Unordnung können im Gehen konkret erlebt werden. Die glänzend rote Lackfarbe an den dem Baum zugewandten Pfostenseiten schafft einen Vektor, einen Bezugspunkt, eine Sinn- und Deutungsrichtung. Es geht um diesen Baum. Alles kreist um ihn herum. Zudem bildet das leuchtende Rot einen Kontrast zu den Naturfarben im Park und macht dadurch die jeweilige Jahreszeit sichtbar. Schließlich glückt das Werk, wenn aus den verbal beschreibbaren und physisch begreifbaren Elementen ein mental und emotional erfahrbarer, ein spiritueller Ort voller Bedeutungen in der Wahrnehmung der Parkbesucher wird. Deshalb heißt das Werk ‚a sense of place‘. (Kit Krug)
Lioba Wagner
Ohne Titel, 2024
Aufrecht und selbstbewusst stehen zwei außergewöhnliche Pflanzen zwischen den Baumriesen des Stammheimer Schlossparks. Aus einem Knotenpunkt des Stammes heraus wachsen die Äste und bilden eine Krone. Diese ist mit durchlässigem Tuch, das mit Farbe übergossen wurde, bespannt. In Gelb-Grün und Orange-Gelb schimmern die Kronen, die sich wie Blütenkelche nach oben öffnen.
Bestechend erscheint die klare Geometrie des Zopfholzes, das von dem Blattwerk befreit und auf seine Grundform reduziert ist. Wir können die Wachstumsstruktur der Baumkronen und ihre leichte Neigung beobachten und betrachten. Wie bei einem Sonnenschirm formen und gliedern die Äste die entstandenen Blütenkelche in dreieckige Grundformen. Es sind fantastische Pflanzen, hybride Gewächse aus Baum und Blume entstanden. Sind es Zauberblumen von einem fremden Planeten, die uns Lioba Wagner in den Park gebracht hat?
Vielleicht mag der Besucher auch auf Entdeckungsreise im Park gehen und mit etwas Glück ausgewachsene Sumachgewächse, Verwandte dieser beiden zarten und besonderen Essigbäume, finden. (PD)
Roland Höft
Diversity, 2024
Marmor
Kann es sein, was wir hier vor uns sehen? Dem Künstler Roland Höft gelingt es, unsere Sinne zu täuschen. Wunderschön ausgearbeitet ist sie, die auf einer Platte liegende Marmorskulptur. Aufgrund ihrer Knicke und Faltungen verblüfft sie uns jedoch auf den ersten Blick, da diese doch eher – durch den Prozess des Biegens – auf eine Arbeit aus Metall schließen lassen. Ein Materialwiderspruch? Roland Höft setzt sich mit dem Phänomen der Wahrnehmung auseinander und durchbricht gängige Sehgewohnheiten. Seine Idee ist es, die Eigenschaften von Metall in Steinskulpturen sichtbar zu machen. Er entwickelt diesen Ansatz über Skizzen und Materialstudien und übersetzt die Spuren der Verformung in das natürliche Gestein. Ein neuer Gedankenhorizont eröffnet sich: Durch Umdenken räumen wir dem Material zuvor bezweifelte Qualitäten ein. Der archaische Marmor entfaltet sein Potential, indem ihm durch Künstlerhand Leben eingehaucht wurde, auch Sanftheit und Emotionen. Durch die Illusion des Biegens erschafft Roland Höft eine diverse Skulptur. (MF)
Simone Pick
Fläche im Raum 9, 2024
Bronze
In Auseinandersetzung mit Fläche, Raum und Form eröffnet uns Simone Pick mit ihren wirkungsvollen Arbeiten vielfältige Sichtweisen. Mittels Einschnitte in Platten oder Blöcke und anschließender Verformung überträgt die Künstlerin eindrucksvolle Liniengeflechte in die dritte Dimension. Hier begegnen sich Einfachheit und Komplexität, Öffnung und Geschlossenheit sowie Ruhe und Bewegung. Ausgangspunkt der Bronzeplastik ‚Fläche im Raum 9‘ war eine Wachsplatte, aus der Simone Pick durch Schnitte und Formveränderung die Vorlage für den anschließenden Guss geschaffen hat. Im wechselvollen Spiel der Überschneidungen und Durchdringungen entsteht ein sich öffnendes Raumgehäuse, dessen Kanten eine Eigendynamik von Energieströmen zu entwickeln scheinen. So wie ein Einschnitt im Leben neben Schmerz auch einen vielversprechenden Wendepunkt mit sich bringen kann, der Aufbruch signalisiert, wird in dieser überzeugenden Bronzeplastik der Wandel und die Möglichkeit neuer Perspektiven formuliert. Es geht um Öffnung, Verletzung, Veränderung sowie Weiterentwicklung und damit um ein zutiefst menschliches Thema. (MF)
Sophia Bernhardt
Ohne Titel, 2019
Cortenstahl
Ob gegenständlich oder abstrakt – Kunst im Schlosspark Stammheim erfreut sich großer Beliebtheit und weckt Neugier. Auch die Cortenstahl-Plastik von Sophia Bernhardt setzt ein markantes Raumzeichen. Monumentale Größe, abstrakte Formensprache und rostrote Patina vor grüner Kulisse machen sie zu einem wahren Hingucker. Hier ist unsere eigene Aktivität gefragt, denn nur durch das Umschreiten der dreidimensionalen Arbeit treten wir in einen direkten Dialog mit ihr, beobachten ferner Licht- und Schattenwirkung. Es geht um sinnliche Wahrnehmung, Materialität und Oberflächenbeschaffenheit. Wir entdecken die kristalline Struktur, erproben durch Klopfen den Klang und erfahren durch Berühren die haptischen Eigenschaften des Materials. Hier gibt es keinen Titel, der uns Hilfestellung geben könnte. Wir dürfen frei assoziieren. Woran erinnern die expressiv-abstrakten Formen? Was lösen sie in uns aus? Jede Meinung ist willkommen. Alles ist möglich, der Fantasie keine Grenze gesetzt. Eine Einladung zu einem gemeinsamen Austausch über das Werk. (MF)
Stefan Bücher
Sounds, 2024
Möglicherweise nimmt der Besucher des Schlossparks die Installation zunächst mit den Ohren wahr. Ungewohnte „Sounds“ – wo mögen sie herkommen? Es könnte eine Heulboje auf dem nahen Rhein sein. Oder wollen hier Sirenen die Schiffahrer anlocken, eine Stammheimer Loreley?
Doch einmal mit dem Auge wahrgenommen ziehen die gewölbten, teilweise geprägten oder mit blauer beziehungsweise roter Farbe gefassten Stahlbleche magisch an. Da ist zum einen ihre stattliche Präsenz. Die gebogenen Bleche wiegen sich wie große Laken und Segel im Wind. Das Spiel der Lichtreflexe zwischen den Blechen und ihrer Umgebung versetzt in eine träumerische Stimmung und ist darin vergleichbar den Lichtreflexen auf der Wasseroberfläche des nahen Rheins.
Der erzeugte Klang wird durch Solarzellen, Bewegungssensoren und den Windbewegungen beeinflusst. Wir können den Wind selber nicht sehen. Aber der Wind verschafft sich mit Hilfe von Geräuschen Ausdruck. „Sounds“ verstärkt diese Eigenschaft des Windes, der verspielt und unberechenbar zugleich ist. So erklingen die Töne mal sanfter und zarter, mal wilder und lauter. Mal lässt uns der Klang träumen, mal macht er uns aufmerksam und wachsam.
Es bleibt für die Besucher zu erforschen, wie wir den Klang mit unserer körperlichen Präsenz beeinflussen können. (PD)
Stefanie Seiz-Kupferer
Red Circle, 2024
Juteschnur, Draht, Fassadenfarbe
Mit ‚Red Circle‘ ist Stefanie Seiz-Kupferer ein weiteres faszinierendes Beispiel in ihrer Reihe der Metamorphose des Nachtfalters gelungen. Mit rot gefärbten Fasern, Fäden und Schnüren aus Jute abstrahiert sie dieses Wunder der Natur, indem sie an die Verwandlungsstadien vom Ei über Raupe, Kokon bis zum Falter erinnert. So entsteht ein raumbezogenes ästhetisches Gespinst, das zwischen grünem Blattwerk nahezu signalartig hervortritt. Etwa zwei Drittel aller Schmetterlinge sind Nachtfalter. Näher betrachtet sind diese nicht etwa grau und unscheinbar, sondern zeichnen sich durch kunstvoll gemusterte Flügel aus, die durchaus auch farbig sein können. Die Vielfalt der Arten geht allerdings zurück. Monokulturen und der Einsatz von Pestiziden einerseits und die Lichtverschmutzung andererseits tragen zur Gefährdung bei. So ist ‚Red Circle‘ auch als Mahnung zu verstehen, denn Nachtfalter sind für die Bestäubung von Pflanzen und den Fortbestand der Natur unverzichtbar. (MF)
Takwe Kaenders
Fähe, 2019
Stahl
Treiben, Schweißen und Schmieden gehören u.a. zu den Techniken der gebürtig aus Köln stammenden Metallbildhauerin Takwe Kaenders, die inzwischen in Mecklenburg-Vorpommern lebt und eine beeindruckende Vita aufweist. Auch ein Film ‚Frau Metall‘ von Lih Janowitz ist über sie entstanden, der ihren spannenden Weg nachzeichnet. Nun stellt die Künstlerin die Arbeit ‚Fähe‘ im Schlosspark Stammheim aus, die bereits 2019 im Rahmen von KUNST HEUTE für das Kunstmuseum Ahrenshoop geschaffen wurde und zuletzt noch in Bad Godesberg zu bewundern war. Überlebensgroß und aufgrund der korrodierten Oberfläche in rotbrauner Farbigkeit stellt die Stahlplastik in stilisierter Form eine sitzende Füchsin dar. Der Kopf mit langer spitzer nach unten weisender Schnauze und hoch gestellten Ohren ist zwar reduziert, aber dennoch unverkennbar zum Ausdruck gebracht. Ein kreativer Beitrag, der nun an einer Weggabelung im Park vor grüner Kulisse die Blicke auf sich ziehen und viel Freude bereiten wird. (MF)
Thibaut Gangloff
Lebenslänglich, 2023
Eine bekannte Handschrift im Stammheimer Schlosspark: Thibaut Gangloff bleibt seiner Liebe zur Geometrie und dem humorvollen Spiel mit unserer Wahrnehmung treu. Aus einer einzigen Linie entwickelt sich ein Kubus. Der lackierte kantige Stahl umwandert die Kanten des Würfels ohne Berührungspunkte, gleichmäßig und stoisch, um wieder zu seinem Ausgangspunkt zurückzukehren. Schließlich gibt es kein Anfang und kein Ende mehr.
Wir bewundern die Materialität des lackierten Stahls, das Spiel von Licht und Schatten auf diesem klar strukturierten Objekt.
Fängt uns die ausgeklügelte Idee und Schönheit dieser Geometrie ein? Zieht sie uns in ihren Bann?
Der Künstler schreibt: „Der Käfig wird zum Kerker, ein Leben lang.“ Vor dem Objekt verliert sich der Betrachter in der Illusion eines gnadenlosen Labyrinths ohne Ausgang. Unwillkürlich erscheint die Frage, welchen Illusionen wir in die Falle tappen. Denn die Frage ist: Wer sperrt hier wen ein? (PD)
Tobi Möhring / Paul Ter Veld
Tanz auf dem Vulkan/Let´s face the music and dance, 2024
Der sprichwörtliche Tanz auf dem Vulkan beschreibt wunderbar bildlich ausgelassenes Verhalten angesichts einer drohenden Gefahr. Aber da ist auch viel Energie. Und vor Energie sprüht die tanzende Figur, die fröhlich elegante Kapriolen an einer Stange schlägt. Sie genießt ihren Tanz, scheint Freude zu haben, obwohl wir doch erahnen können, welche körperliche Herausforderung der Balanceakt beim Pole Dance sein muss. Das im Stammheimer Schlosspark bekannte Künstlerduo verrät, dass die Figur ihrem Beruf nachgeht. Wie würdest du ihren Beruf nennen? Es scheint, als habe sie ihren Beruf frei gewählt, doch dazu erzählen uns die Künstler nichts im Park.
Nähern wir uns der Installation schaltet sich durch einen installierten Bewegungsmelder Beleuchtung und Musik ein. Wie durch Magie erstrahlt die Figur im Licht und ihr Tanz wird von Musik begleitet. Der Besucher ist eingeladen, den Holzsockel zu betreten – ob er sich als Zuschauer niederlässt oder mit in den Tanz einsteigt, bleibt ganz und gar ihm überlassen.
Auf dem Häuschen ganz oben ist eine mysteriöse Zahl Null zu sehen. Was hat diese Zahl zu bedeuten? Handelt es sich um einen Wettkampf, in dem es gilt Punkte zu sammeln? Der Kasten mit der schwarzen Null erinnert auch an Bahnsignale. Wie werden die Weichen für die Zukunft gestellt? Steht die schwarze Null für eine schuldenfreie Haushaltspolitik, der alles untergeordnet ist? Mangelnde Investitionen in der Bildungs-, Klima-, digitalen und Bahninfrastruktur sind die Folge.
Wie weit ist unsere Poledancer*in von den Kürzungen betroffen? Angesichts einer ungewissen Zukunft: Hält Pole Dance fit? (PD/TM/PTV)
Frank van Well
Angeschmiegt und Beschützt (2023)
Eichenholz
Elegant entwachsen zwei flügelhafte Formen demselben Ursprung, wobei sich die Größere beschützend über die Kleinere schwingt, die Kleinere sich behutsam an die Größere schmiegt. Assoziationen von Mutter und Kind, ich passe auf Dich auf, Dir passiert nichts, ich beschütze Dich… in Zeiten großer Verunsicherung. (Frank van Well)
Christof Söller
luftverwurzelt (2023)
Terra Nigra, Keramik
Keramik gehört zu den ältesten kulturellen Schöpfungen der Menschheit und gilt zugleich als Indikator kultureller Entwicklungsstufen. Lange Zeit überwiegend mit Gebrauchsgeschirr assoziiert, lassen sich mittlerweile beeindruckende abstrakte Plastiken aus gebranntem Ton in der zeitgenössischen Bildhauerkunst entdecken. Neugierige Blicke zieht ein solches Beispiel nun an einer Weggabelung im Park auf sich. Die Liebe zum Detail und die technische Perfektion sind unübersehbar. Mit seiner Arbeit luftverwurzelt konnte Christof Söller, der sein Studium an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart absolvierte, die Jury in Formgebung und Ästhetik überzeugen. Faszinierend und rätselhaft zugleich muten die Formen in ihrer Fragilität nahezu wie organische Netzstrukturen oder verschlungene Wurzeln an. Dem zarten mattschwarzen Grundgerüst scheinen knollenartige Wucherungen zu entwachsen. Der Künstler hat die Natur zum Anlass seiner Kunst genommen. Bei genauerer Betrachtung erkennen wir in diesem vermeintlich gedeihenden Organismus zwar keine eindeutige Entsprechung in der Natur, dennoch ist es Christof Söller vorbildlich gelungen, sich dieser als Terra Nigra bezeichneten Schwarzkeramik, die durch römischen Einfluss im Rheinland Verbreitung fand, kreativ anzunähern und diesem geschichtsträchtigen Material unter seinen schöpferischen Händen eine neue reizvolle Lebendigkeit zu entlocken. (MF)
Irena Paskali
Invisible Borders (2023)
12 Fahnenmasten und 12 weiße Fahnen
Grenzen markieren Stellen, wo etwas aufhört und etwas anderes beginnt. Es können sichtbare territoriale oder gedachte Trennlinien (invisible borders) unterschiedlicher, gegensätzlicher Bereiche sein. Die in Ohrid / Nordmazedonien geborene und in Köln lebende Künstlerin Irena Paskali bewegt seit vielen Jahren eine eindringliche Frage: Wie lassen sich unsichtbare Grenzen zwischen Menschen überwinden? Eine Antwort hat sie bisher nicht gefunden und ihre Hoffnung schwindet. Die Vorstellung von interkulturellen Gesellschaften, in denen Barrieren in den Köpfen der Menschen fallen, freie Entfaltung der Persönlichkeit und Meinungsäußerung als hohes Gut sowie Erfahrungsaustausch und Angleichung in politischen, ethnischen, kulturellen und ökologischen Fragen Realität werden, bleibt bisher noch ein frommer Wunsch. Das Projekt Invisible Borders macht auf das Problem kultureller Differenzen und Identitäten von Menschen aufmerksam. Bestenfalls setzt sich ein langer Prozess des Verstehens und Tolerierens in Gang, der das Streben nach Verbindung über das der Abgrenzung stellt. 12 zwei Meter hohe und rot lackierte Fahnenmasten sind in Augenhöhe durch weiße Fahnen verbunden und bilden auf der Wiese eine beachtliche Reihe. Mal flattern die Tücher dynamisch im Wind und eröffnen Durchblicke, bei Windstille hingegen hängen sie trostlos herab und behindern die Sicht. (MF)
Tobi Möhring & Paul ter Veld
Die Vorletzte Generation (2023)
Stahl
Anders als die sog. ‚Letzte Generation‘, die mit spektakulären Aktionen und zivilem Ungehorsam Aufmerksamkeit erregt, geht die vorherige Altersklasse mit derzeitigen Krisensituationen um. Die titelgebende ‚Vorletzte Generation‘ nämlich scheint die drohende Klimakatastrophe weniger dramatisch einzuschätzen. Business as usual? Zumindest erwecken die drei Figuren auf der Bühne diesen Eindruck, denn die Welt der Diva, der Akademikerin und des Schüchternen dreht sich eher um sie selbst. Die Göttliche ist exzentrisch und um ihre perfekte Selbstdarstellung bemüht, die Akademikerin in Denkerpose scheint in ihren Gedankenwelten verstrickt und der Schüchterne mit rotem Kopf ist viel zu gehemmt, zaghaft und mutlos, um in die erste Reihe zu treten und gegen die Energiepolitik der Regierung zu protestieren. Die Gestalten sind u.a. aus wiederverwerteten Auspufftöpfen geformt. Ein Hinweis auf Co2-Verbrauch und ökologischen Fußabdruck. Abends präsentiert sich die Bühnenszene allerdings in einem anderen – von solarbetriebenen Halogenstrahler erzeugten – Licht. Tobi Möhring und Paul ter Veld haben auch in ihrer neuen Arbeit das Zeitgeschehen in den Blick genommen. Die Letzte Generation, die als Klimakleber verunglimpft und zunehmend kriminalisiert wird, kämpft mit ihren Aktionen nicht nur für sich. Das Fortbestehen der Lebensbedingungen ist auch für die Vorletzte Generation ein existenzielles Thema, das keinen Aufschub duldet. (MF)
Thibaut Gangloff
Grenouille mécanique (2023)
Stahl
In nicht allzu großer Entfernung zu seiner interaktiven Arbeit Illusion, die uns im Park zu einem Blick durch einen Spion einlädt, installierte Thibaut Gangloff nun in gewohnter handwerklicher Präzision eine weitere Stahlplastik. Geometrie scheint das Thema zu sein. Ein ähnlich raffiniertes Spiel aus ineinander verdrehten und verschlungenen Hohlprofilen – einer Endlosschleife ähnlich – gestaltete der Künstler bereits 2014. In diesem Jahr überträgt er die Komposition in ein Quadrat: über drei schlanken runden Stahlstützen kreuzen sich nun in engen Abständen Linien bzw. quadratische Hohlprofile im rechten Winkel, erwecken ein weiteres Mal in uns den Eindruck sich endlos durchdringender stereometrischer Körper. Der gewählte Titel Grenouille mécanique mag zunächst verblüffen. Als Klassiker unter Blechspielzeugen erfreut sich der ‚mechanische Frosch‘ noch immer großer Beliebtheit. Aufziehen und schon hüpft das Tier davon. Frösche sind biologische Gradmesser und reagieren auf sich verändernde Umweltbedingungen. Umso wichtiger ist es, alles zu tun, um ihren Lebensraum zu schützen. (MF)
Andréa Bryan
Panoptikum (2023)
Holz, verschiedene Materialien
Andréa Bryan, die als brasilianische Künstlerin seit 30 Jahren freischaffend in Köln lebt, lässt uns in ihrer Arbeit Panoptikum an Traditionen und Wurzeln ihrer sie prägenden südamerikanischen Heimat teilhaben. Vier Seiten eines aus Kanthölzern gerahmten Kubus sind mit unterschiedlichen Materialien ausgestattet, die uns etwas aus ihrem Leben in Brasilien erzählen. Auf der ersten Seite sind oben bunte Flatterbänder verknotet, auf denen ‚Lembranca do Senhor do Bonfim de Bahia‘ zu lesen ist, ein Hinweis auf eine Kirche in der Altstadt von Salvador, die dem Herrn des guten Endes mit einem Brauch gedenkt. Die sog. Fitinha do Senhor do Bonfim sind bunte Bändchen, die man sich dort nach dem Erwerb um das Handgelenk mit drei Knoten binden lässt, wobei jeder Knoten einen Wunsch freigibt. Ein Brauch, der sich inzwischen auch in anderen Regionen durchgesetzt hat. Auf der zweiten Seite fällt ein Gewebe aus geflochtenen Wäscheleinen in roter und grüner Farbe auf, mit dem Kuriositätenkabinett aus wertvollen Erinnerungsstücken vor. (MF)
EVA HERMES & CLemens JUNK
o.T. (2020)
Larvikit
Zwei Stränge verbinden sich miteinander, ihre runden, gedrehten Formen scheinen wie in einem Tanz, einer Choreografie zu agieren und aufeinander zu reagieren. Kunst ist Kommunikation – diese Skulptur zeugt von einer besonderen Form der künstlerischen Kommunikation, die in einer spielerischen Auseinandersetzung mit einem Klumpen Ton ihren Anfang fand. Der Ton wurde im Wechsel von Eva Hermens und Clemens Junk modelliert. Manches wurde dabei verworfen, anderen Impulsen wurde gefolgt, neue Ideen entstanden – bis sich eine in sich geschlossene Form manifestierte, die schließlich aus dem großen Larvikit herausgearbeitet wurde. Eine mutige und spannende gemeinsame Arbeit, in deren doppelter Struktur sich gleichermaßen die individuellen Handschriften beider abzeichnen und zu einem harmonischen Ganzen fügen. Die matt polierte Oberfläche des dunkelgrauen Tiefengesteins mit seinen blausilbernen Kristallen betont die Form der poetischen geschwungenen Skulptur, an deren Bewegung wir uns erfreuen. Wer verspürt Lust, sich dem gemeinsamen Tanz der Formen anzuschließen? (PD)
Wlodek Stopa
Achtung! Neugier! (2022)
Mülltonne, Spiegel, Klebeband
Schon seit vielen Jahren sorgt der Architekt und Bildhauer Wlodek Stopa
mit seinen Beiträgen im Park für gute Stimmung.
Immer wieder hält er uns den Spiegel vor, indem er das menschliche
Verhalten in der Gesellschaft hinterfragt. Nicht ohne Witz und Ironie
scheut er sich ebenso wenig, gegen die Rücksichtslosigkeit der Natur
vorzugehen…
Neben den rot markierten Rissen im Asphalt, mit denen er die dreisten
Vorstöße der Baumwurzeln beanstandet, stellt er nun seine neue Arbeit.
Oh, werden Sie denken, nun gelten schon Mülltonnen als Kunstwerke.
Klebeband lenkt unsere Aufmerksamkeit auf ein weißes Behältnis, das
einen Spalt geöffnet ist. Achtung! Neugier! lautet der Titel.
Die Gier nach Neuem klingt zunächst unsympathisch, nach Rumschnüffeln
in Dinge, die uns womöglich nichts angehen. Andererseits ist uns Neugier
angeboren, damit wir unsere Umgebung kennen und verstehen lernen und
sich unser Gehirn entwickeln kann.
Scheuen Sie sich also nicht, in die Tonne zu schauen!
Sie werden sich wundern und reflektieren…und sicher auch schmunzeln!
(MF)
STEFF ADAMS
EMILIY (2022)
Epoxid, Glasfaser
Emiliy sitzt auf einer Schaukel im Schlosspark und schwingt hin und her. Das klingt nach einer Beschreibung einer normalen, kindlichen Be-schäftigung. Ist es ja auch. Nur dass Emiliy kein normales Kind ist. Sie ist die Schöpfung der Kölner Künstlerin Steff Adams, unverwüstlich mit einer Außenhaut aus Pappmaché und Epoxidharz gestaltet. Die Extremitäten etwas zu lang, die Finger etwas zu knubbelig, die Füße etwas zu groß, der Körper etwas zu unförmig – wofür eigentlich? Es geht hier nicht um ein gängiges Schönheitsideal, sondern um die Idee einer Figur, die Idee eines Fantasiewesens, das bestens dazu geeignet erscheint, etwas Frohsinn und Emotionalität in der Welt zu verbreiten. Dazu passt auch die Art der Bewegung – Schaukeln ist nicht zweckgerichtet. Schaukeln macht einfach nur Spaß und ist Ausdruck einer gewissen Selbstvergessenheit und Unbekümmertheit. Im ,Erholungsraum‘ Schlosspark können diese Eigenschaften vielleicht für den ein oder anderen erwachsenen Besucher wiedergewonnen werden. (RR)
Tobi möhring & paul ter veld
Vorsicht: unkontrollierter Fall! (2022)
Stahl, geschweißt
Ist hier eine Figur vom Himmel gefallen? Oder macht sie Yoga? Nein, dem Gesichtsausdruck zufolge ist sie sehr erschrocken, Mund und Augen sind weit aufgerissen. Das schauen wir uns doch mal näher an: Wir sehen rhythmisch angeordnete Rohre. Mit etwas Abstand sind Beete zu erkennen, angelegt wie Fenster einer Smartphone-Kommunikation, deren Textzeilen durch die Rohre dargestellt werden. Noch einen Schritt zurück, und es erscheint wie ein großer Smartphone-Bildschirm. Warum befindet sich die Figur im freien Fall? Fällt sie mitten in die Kommunikation? Oder gerät sie wegen ihr ins Strudeln? Vielleicht wird die Figur auch von der Nachrichtenflut umgerissen; oder ist, getrieben von Fake-News, in eine Sackgasse geraten, aus der sie ohne Gesichtsverlust nicht mehr herauskommt? Oder ist es eine Schreckensnachricht, die ihr den Boden unter den Füße weggezogen hat? Die Figur kann auch symbolisch für den Fall des fundierten Journalismus angesehen werden: Nachrichten sind nicht nur zu zahlreich, sondern auch zu reißerisch, zu emotional, zu plakativ, zu einseitig, zu hintergrundlos, zu detailliert, zu einfach, zu weit hergeholt, um sie zu verarbeiten und zu verkraften. Wir denken, rundum informiert zu sein, und fallen doch aus allen Wolken, wenn z. B. Kriegsnachrichten aus der Ukraine kommen. (HF)
FRANK VON WELL
GESTRANDET (2020)
EICHE
hier und jetzt
in Bewegung ruhend
nach vorne strebend
auf der Welle gleitend
in sich selbst zirkulierend
entspannt konzentriert
Kanten fließen in Flächen
Flächen werden zu Volumen
Volumen werden zu Körpern
innen wird außen
ein Boot, ein Fisch, ein Wal
am falschen Ort
eine fließende Form
ganz im hier und jetzt
(FVW)
EVELINE MARKSTEIN
URMOHN (2022)
ALABASTERGIPS, PIGMENT, ACRYL, STAHLSEIL
Wer ist nicht schon einmal bei dem Anblick eines Mohnfeldes in tiefe Verzückung geraten? Die sich über ein weites Feld erstreckende tiefe rote Farbe ruft Freude und Energie hervor. Dieses Bild und gleichzeitig die Melancholie angesichts der kurzen Dauer der zarten Mohnblüte mag die Künstlerin beschäftigt haben, als sie ihre Plastik schuf. Die schwere, volle Kugel ruht auf einer Art Kissen, ihr Abdruck prägt sich tief in das gewebte Stahlseil ein. Sie existiert schon lange Zeit, ist sie doch der Ursprung. In sich trägt der Urmohn die Möglichkeit, das Mohnfeld stetig zu reproduzieren – eine zuversichtliche Gewissheit! Dabei schwebt die Kugel zugleich wie die zarte Blüte über dem satten Grün, das die rote Farbe in seinem Kontrast so kraftvoll erstrahlen lässt. Die Kraft der Farbe und die Form der Kugel verweisen auf Bewegung und Aufbruch: Wann gerät die Kugel wieder ins Rollen? Und, wird vielleicht ein bezauberndes Mohnfeld im Schlosspark entstehen?
(PD)
ELMAR KUHLMANN
AUSMASS (2021)
VERMESSUNGSPFLÖCKE
Ausbleibende Sanierung ist schon mancher Bausubstanz zum Verhängnis
geworden. Darum weiß auch der Architekt Elmar Kuhlmann, dessen Arbeit
‚Ausmaß‘ seit einiger Zeit an der Ostwand des Ulrich-Haberland-Hauses ein
wirkungsvolles Zeichen setzt. Genau hingeschaut offenbart sich das Werk
aus Recyclingmaterial. Ein Holzkranz aus kreisförmig übereinander gelegten
ausgedienten Vermessungspflöcken mutet wie ein Stern an.
Ein aufgehender Himmelskörper?
Wie schön wäre die Vorstellung, wenn das marode Haus nach Jahren des
Dornröschenschlafs in neuem Glanz erstrahlen und der geheimnisvolle
Innenhof endlich wieder zugänglich gemacht würde!
Die signalroten Enden der Pflöcke leuchten verheißungsvoll über den
Baumwipfeln, scheinen uns jedoch zugleich mahnend das Ausmaß der
derzeitigen baulichen Situation vor Augen führen zu wollen.
Die Stadt Köln genehmigt diese Arbeit übrigens nur temporär, da sie bei
dauerhafter Anbringung Schäden an der Fassade befürchtet…
So wird ‚der Stern‘ bedauerlicherweise schon bald wieder sinken müssen.
(MF)
IN VIA KÖLN E.V.
BRIEFE AN DIE ZUKUNFT (2021)
STOFF, HOLZ, FARBE
#BriefeandieZukunft ist ein selbstwirksames Kunstprojekt. Orientiert an der Ausgangsfrage „Was kann ich als einzelne Person verändern, um eine lebenswerte Zukunft zu erhalten“, haben 30 Teilnehmer:innen – mit und ohne Fluchterfahrung, mit und ohne Förderbedarf – im Dialog selbstwirksame Nachhaltigkeitsarbeitsfelder benannt und individuell auf einer Fahne gestaltet. Das Ergebnis: nachhaltigkeitsbewusste Botschaften wie „Mehr Fahrrad fahren“, „Weniger Auto fahren“, „Secondhand kaufen“, „Ressourcen sparen“, „weniger Fleisch essen“, „einen Baum pflanzen“, sowie solidarische Ausrufe wie „Zusammen halten“, „Sei wer du willst“, „Sei du selbst die Veränderung, die du für diese Welt wünschst“.
#BriefeandieZukunft ist eine Mitmachaktion und lebt von den Gedanken und Ideen Vieler. Wir freuen uns über jede/n, der sie mit neuen Briefen, Gedanken und Ideen fortführt und danken allen, die sie bereits mit ihren Botschaften bereichert haben. (RF/PD)
KEREN SHALEV
ILLUSIONÄRE/REALE BEGEGNUNG AM UFER (2019)
METALL, LACKIERT
Beim Anblick dieses zarten Gefüges aus filigranen Linien scheinen die
Grenzen zwischen Abstraktion und Figuration zu verwischen.
Unwillkürlich beginnen wir zu assoziieren: Fragil anmutende schmale
Metallstreifen sind es, die uns eine ungefähre Vorstellung von einem
ehemaligen Schiffskörper geben. Ein verwaistes Bootswrack, das auf
der Seite liegt – gestrandet, beschädigt, entwurzelt? Melancholie
schwingt mit. Ein geheimnisvolles Relikt, das uns deutliche Zeichen des
Verfalls vor Augen führt? Welche Geschichte mag sich hinter diesem
vermeintlichen Fund verbergen? Sind es menschliche Tragödien?
Keren Shalevs überaus ästhetischer Beitrag bezieht uns auf eine
besondere Weise ein, die über das Sichtbare hinausgeht.
‚Illusinäre/reale Begegnungen am Ufer‘ – minimalistisch in Farbe und
Gestalt – erlaubt uns vielfältige Gedankenbilder. (MF)
LIOBA WAGNER
PICKNICK AM RHEIN (2022)
BAUMWOLL-ACRYL-GEWEBE
Einen Ort zum gemeinsamen Innehalten hat Lioba Wagner auf dem Hügel im Schlosspark geschaffen. Mit „Picknick am Rhein“ lädt sie uns ein, auf dem Teppich Platz zu nehmen. Ist es ein magischer Teppich, auf dem wir uns in die Lüfte erheben und über die prächtigen Baumkronen des Parkes schweben? Wir verweilen und fliegen mit unseren Gedanken – ob wir mit dem Rücken auf dem Teppich liegen, dabei in die Wolken und die Baumkronen schauen, den Flug der Vögel verfolgen oder ob mit geschlossenen Augen den Wind vom Rhein her kommend auf unserer Haut spüren. Sitzend beobachten wir mal die zufällig verteilten Zweige auf der Wiese, mal die verästelte Zeichnung auf dem Teppichgewebe. Der Schatten der Baumkronen geht in die getufteten Linien des Teppichs über, Eindrücke in Gedanken und die natürliche Umgebung verflechtet sich mit dem artifiziellen Raum des Teppichs. Die das Geäst der Bäume weiterführenden und nachempfindenden Linien sind reduziert, sie überfrachten das zarte Gewebe nicht. Zwischenräume erzeugen Bewusstsein für das räumliche Zusammenspiel. „Picknick am Rhein“ schafft viel Platz – zum Träumen, zum Beobachten, zum Zusammensitzen und zum Reden. (PD)
STEFAN BÜCHER
MUYBRIDGE (2021)
STAHLGITTER, FOLIE
Mit 12 Kameras, die er in einer Reihe aufgestellt kurz nacheinander
auslöste, verstand es Eadweard J. Muybridge im 19. Jahrhundert erstmals,
Bewegungssequenzen ins Bild zu setzen. So konnte er u.a. nachweisen,
dass es einen Moment gibt, in dem alle Hufe eines trabenden Pferdes
ohne Bodenkontakt sind. Muybridge dehnte seine Bewegungsstudien auf
andere Tiere sowie Menschen aus und benutzte dazu 24 Kameras.
Es ist phänomenal, wie das menschliche Gehirn aus einer Abfolge von
Standbildern die Illusion einer kontinuierlichen Bewegung wahrnimmt.
Werden Sie aktiv und nähern Sie sich dieser faszinierenden Arbeit von
Stefan Bücher, der wegen seiner kreativen Ideen und sorgfältigen
Umsetzungen schon mehrmals in der Vergangenheit im Park überzeugte.
Nun liegt es an Ihnen, durch Ihre eigene Bewegung die Bilder einer
menschlichen Figur auf einer Folie hinter Gitterstrukturen zum Laufen
oder besser zum Auf- und Absteigen zu bringen!
Übrigens: Es handelt sich bei den Standbildern um eine Auswahl aus
der Serie ‚Human figures in motion‘.
(MF)
BIRGIT OLZHAUSEN
MADONNA (2021)
PLEXIGLAS, ACRYLFARBE, SONNERIEDRAHT
Die Künstlerin Birgit Olzhausen knüpft mit ihrer Arbeit an die lange und auch in Köln weit verbreitete Tradition der Wegkreuze und Bilderstöcke an. An einer Weggabelung im Park zwischen den Ästen einer Baumkrone installiert lockt es uns je nach Lichteinfall mit einer strahlenden Farbigkeit und Leuchtkraft an. Das halb geschlossene Oval aus transluzentem
Plexiglas ist innen vorwiegend in Blau und Rot als Reminiszenz an die Farbgestaltungen des Marienmantels in kirchlicher Kunst gehalten. Die Hinterglasmalerei erinnert uns an bunte Kirchenfenster, die halbrunde Form bezieht sich auf frühchristliche Darstellungen des schützenden Mantels der Maria und zugleich der Form der Kirchenapsis. Einer Aureole ähnlich erstrahlen die Außenkanten golden und gelber Draht ragt Strahlen ähnlich über das Werk hinaus.
Ein kleines Heiligtum im Park, das wir zu jeder Tages- und Jahreszeit in anderem Licht erstrahlen sehen und bewundern können. Wegkreuze und Bilderstöcke wurden immer wieder auch als Dank für Schutz und Bewahrung vor Unheil aufgestellt. Vielleicht legt auch jemand eine Blume vor dem ganz besonderen Bilderstock im Stammheimer Schlosspark ab… (BO/PD)
PRIMA NEANDERTHAL! VOLKER RAPP & KATY SCHNEE
EINE HANDVOLL UNENDLICHKEIT (2022)
GOLDFOLIEN
Ob als Symbol für Reichtum im materiellen und im geistig-spirituellen Sinn,
ob als bildlicher Ausdruck für Macht, Weisheit, Lebenskraft und Inspiration,
Gold hat seit Jahrtausenden nichts von seiner Wertschätzung verloren.
Es ist der warme Glanz, der die Menschen seit jeher fasziniert.
Ein wundervoller Gedanke, für kurze Zeit die Lindenallee im Schlosspark in
goldenem Licht erstrahlen zu sehen. Dass diese einst zum Schloss des
Grafen Franz Egon von Fürstenberg- Stammheim führende Achse eine so edle und prächtige Auszeichnung erfährt, ist dem Künstlerduo PRIMA Neanderthal!
zu verdanken. Insgesamt 40 (5 x 8, eine Handvoll Unendlichkeit) Baumstämme entlang dieses Weges wurden etwa vier Meter hoch mit Goldfolie umwickelt.
Was für ein fantastischer Anblick!
Gold – begehrtes Prestigeobjekt für Götter und Majestäten – steht ebenso für Vollkommenheit im Spirituellen. Wann könnte man diese Vorstellung vom Reichtum des Geistes besser umsetzen als zu Pfingsten!
(MF)
HERBERT LABUSGA
TOTE EICHE (2019)
EICHE
Die Tote Eiche stand immer im Park, ungefähr 200 Jahre. Der Künstler Herbert Labusga hatte den lebendigen Baum, die schöne große Eiche, währendseiner Spaziergänge im Park genossen. Dann wurde sie gefällt. Er beschloss, dem Baum im Park vor Ort ein Denkmal zu setzen und hatte man Glück,
konnte man ihm dort begegnen und bei der Arbeit zuschauen. Nun liegt der Stamm der toten Eiche auf dem Boden. Aus der äußeren Hülle schältsich das Skelett heraus. Knochen und Schädel ermahnen einem Memento Mori gleich an den Tod, der in allen lebendigen Dingen liegt. Eine tiefe Zuneigung zuden natürlichen Lebensprozessen wird beim Betrachten und haptischen Erfassen der Skulptur spürbar. Wunderbar fühlt sich das Holz unter den Händen an! Der Künstler hat nicht nur die bleichen Knochen, sondern auch die Früchte und Blätter des Baumes in gekonntem handwerklichen und künstlerischen
Geschick entstehen lassen. Und ist da nicht sogar einer der beiden Füße noch mit Muskeln und Haut bespannt? Neben dem iegenden Stamm wächst ein kleiner Ableger der toten Eiche heran. Auf unnachahmliche Weise versöhnt und tröstet
die Skulptur, die Entstehen, Werden und Vergehen in sich vereint. Und nun fällt es auf: Pilze wachsen auf der Oberfläche des Eichenholzes, Insekten leben in ihm. Das Holz der toten Eiche ist voller Leben. (PD)
CHRISTINE HALLER
PASSAGE (2021)
EICHENHOLZ
Christine Haller setzt ihre Ideen und Gedanken bevorzugt in Eichenholz
um. Mit Motorsäge, Rundaxt und Holzbeitel spürt sie den besonderen
Eigenschaften des Materials nach. Sie höhlt Stämme aus, nimmt ihnen
ihre Schwere und schafft höhlenartige Nester, Durchgänge, sowie Innen-
und Außenräume. So entstehen unter ihren Händen beeindruckende
Rundformen mit parallel verlaufenden Einkerbungen, die einen eigenen
Rhythmus bilden. Das Licht- und Schattenspiel in den Vertiefungen scheint
wie ein Vibrieren auf der Oberfläche.
Das Gemeißelte bringe die Form in Unruhe, setze sich über ihre Grenzen
hinweg, löse sie auf. Die Form und der Körper selbst sei passager, flüchtig,
fragil, ein Ort der Passage. Maserung und Risse im rohen Holz erzählten von
einer Welt, in der Flüchtigkeit eine Konstante sei, so die Künstlerin.
Nicht nur in ihren bildhauerischen, sondern auch in ihren zeichnerischen
Arbeiten ist ein Hauch von Fragilität und Flüchtigkeit zu erahnen.
Es sind existentielle philosophische Themen, die die Künstlerin in berührende Werke umzusetzen vermag.
‚Passage‘ ist ein solches Werk, in dem sie den Übergang, den Wechsel von
innen nach außen, von dem einen zum anderen Ende auf poetische Weise
zu erzählen weiß. (MF)
ERIK RÜFFLER
OFT REICHT EIN EINZELNER UM DIE WELT
ZU ENTFLAMMEN (2021)
EISEN
Die Skulptur des überdimensionalen roten Streichholzes mit dem rot lackierten Kopf wurde von dem Künstler Erik Rüffler vertikal wie eine Fackel installiert. Die feurig-rote Farbe des Lackes tritt nicht nur als Erscheinungsfarbe auf, sondern verweist auch auf die Hitze, der das Eisen während der Schmiedetätigkeit ausgesetzt war. Wozu wird das Streichholz benötigt, dient es als nächtliches Licht oder als Wärmequelle? Viele Redewendungen rund um das Thema „Flamme“ verbinden das Feuer mit einer Energie – sei es in Form einer Idee, einer Vision oder allgemein der Tatkraft – die sich ausbreitet: eine zündende Idee haben, der Funke springt über, jemandem Feuer unter dem Hintern machen. „Oft reicht ein Einzelner um die Welt zu entflammen“ – der Titel kann ambivalent gedeutet werden, je nachdem wie der Funke beschaffen ist, dessen Feuer flackern wird. Die zentrale Frage, die Erik Rüffler stellen möchte, lautet: „Was löse ich mit meinen eigenen Aussagen und meinem Handeln aus?“ So ermahnt uns die Arbeit , sorgsam zu erwägen, welche Flamme wir in die Welt tragen möchten – eine Frage, über die es sich lohnt, stetig neu zu reflektieren. Denn so wie ein kleiner Funke zum lodernden Feuer werden kann, kann ein noch so kleines Wort weitreichende Folgen haben. Bleiben wir uns darüber bewusst! Der Künstler sagt: „Nur wenn etwas Empathie erzeugt, bleibt es im Gedächtnis und kann Veränderungen bewirken.“ (PD)
KATHRIN RABENORT
EPIPHYTEN UND PHYTOHOMINIDEN (2022)
STOFF, POLYSTYROL, METALL, WASSERABWEISENDER LACK
Saftig grünes Blattwerk – eine ideale Kulisse für Skulpturen im Schlosspark.
Das trifft auch auf die aktuelle Arbeit Epiphyten und Phytohominiden von
Kathrin Rabenort zu. Gelb leuchtend weckt sie Neugier und lässt uns unweigerlich nähertreten. Was ist es, das sich dort von weitem sichtbar auffällig im Geäst angesiedelt hat? Überdimensionierte Trauben, die sich sanft schwingend über unseren Köpfen im Wind bewegen? Farbenprächtige Blüten, die sich dekorativ absetzen? Letztendlich entpuppen sich die vermeintlichen Trauben oder Blüten als gelbe Stoffkappen in Kindergröße. Wetterfest imprägniert und teilweise verkantet fügen sich die kleinen Kopfbedeckungen rebenartig aneinander, hängen von einem Ast herab. Nun sind es eher Assoziationen zu menschlichen Körpern, die überwiegen. Phyto steht für Pflanze. Epiphyten sind Pflanzen, die auf anderen Pflanzen, auf Bäumen wachsen, u.a. um bessere Lichtverhältnisse zu nutzen. Phytohominiden verweisen auf unsere Vorfahren, die anfänglich vorwiegend vierfüßig an das Leben auf Bäumen angepasst waren.
(MF)
SOPHIA BERNHARDT
STAHL, GESCHWEISST UND VERZINKT
Über einem gebündelten Sockel entfaltet sich eine vielfach geknickte Fläche. Geometrische Elemente aus Stahl kristallisieren sich zu einem expressiven Objekt, das zahlreiche visuelle und emotionale Assoziationen hervorruft. Die Bildhauerin Sophia Bernhardt schafft eine poetische Arbeit, die wir mit sich wandelnden Bedeutungen und Empfindungen betrachten. Vielleicht entdecken wir eine futuristische Architektur. Möglicherweise erinnern uns die Faltungen auch an ein aus Papier gestaltetes Origamiobjekt, wir verlieren uns in den Berg- und Talfalten des Daches. Oder wir erspüren die Andeutung eines organischen Gefüges – eines Strauches oder eines Pilzes – unter dessen Dach die kleineren tierischen Bewohner des Parkes Zuflucht finden? Mit dem vieldeutigen Objekt ist es der Künstlerin zum Trotz des schweren Materials gelungen, eine Leichtigkeit zu erzeugen, der wir gerne mitgehen.
(PD)
PROF. CHRISTIAN HEUCHEL & GUNTER KLAG
KUPFER UND LEINEN
Im Schlosspark zu flanieren und zu schlendern, beim Spazieren den
Gedanken freien Lauf zu lassen, das sind die optimalen Bedingungen,
um die Skulptur zu erleben. Wie eine Blumenwiese oder ein kleiner Brunnen besetzt RAPPORT den Ort. Die Skulptur lässt vielschichtige Assoziationen aufblühen. Das Zählen der Fahnen wird zum Vergnügen.
Ein Zahlenmantra, welches im Internet als Soundpartitur ein akustisches
Äquivalent zum visualisierten Fahnengitter bietet.
RAPPORT – ein gleichmäßiges Raster 4,20 m x 4,20 m aus Kupferrohren
und 48 Verbindungsstücken. An den 30 vertikalen Stangen werden 30 weiße Fahnen angebracht. Die Fahnen liefern eine Matrix für die Weltvorstellung.
Über allem schwebt das Koordinatengitter.
Womöglich tibetische Gebetsfahnen oder die amerikanische Eroberungs-
flagge auf dem Mond. Die Fahnen scheinen ohnmächtig gegenüber der Architektur, trotzdem schaffen sie es, den Ort zu markieren und zu verändern.
(bHK)
SIEGLINDE KOCH
PORENBETON
Was erweckt mein Interesse beim intensiven Studieren der Gesichtszüge
eines mir unbekannten Menschen? Ein zu Anfang vielleicht noch fremder
Eindruck wird zunehmend vertrauter. Voraussetzungen sind Offenheit und
Toleranz. Sieglinde Koch geht diesen Fragen nach und stellt verschiedene
Porträts vor. Auf vier Seiten einer Stele arbeitet sie insgesamt 40 Gesichter
heraus. Identität und Vielfalt sind die Leitgedanken. Ihre Arbeit hilft uns,
Berührungsängste mit fremden Kulturen zu überdenken, um gleichzeitig den
Blick für die Vielfalt ihrer Ausdrucksformen zu schärfen.
Wo könnte diese Haltung besser gelingen als in der als tolerant geltenden
Domstadt, wo das Zusammenleben von Menschen aus verschiedensten
Ursprungsländern den Alltag bestimmt.
Eine Hommage an Köln.
(MF)
BEATE STEVEN
EICHENHOLZ
Wohnen mit beeindruckender Kulisse, umgeben von der Natur in all ihrer Schönheit und Vielfalt! Wände scheinen sich aufzulösen oder in ihrer Gestaltung unwiderstehliche Durchblicke in die Weite zu ermöglichen.
Beate Steven hat die Jury durch diese handwerklich auf hohem Niveau
ausgeführte und zugleich bestechend schöne Arbeit unmittelbar
überzeugen können. Einem vierteiligen Paravent ähnlich fällt die leicht
geschwungene, weiß gefasste Holzkonstruktion bereits nach wenigen
Schritten im Schlosspark ins Blickfeld. Ein näheres Erkunden lohnt sich:
Durchbrochen gearbeitetes Schnitzwerk aus sanft fließenden rankenden
Pflanzen- und Tiermotiven füllt die Flächen zwischen den Holzrahmen.
Es sind Fantasiewelten, die sich vor unserem Auge auftun, uns träumen
lassen von Natur als Sehnsuchtsort und Quell der Kräfte.
Danke für die kurze Auszeit, liebe Beate Steven, die Sie uns mit Ihrem
Beitrag schenken, indem Sie uns für einen Augenblick auf andere, auf
positive Gedanken bringen!
In stürmischen Zeiten wie diese bedeutet das eine wahre Wohltat!
(MF)
PETER DOWNSBROUGH
TWO PIPES (2022)
METALLROHRE
Der amerikanische Konzeptkünstler Peter Downsbrough (geb. 1940,
New Jersey) hat ein reduziertes visuelles Vokabular entwickelt, das er
benutzt, um sein Werk zum jeweiligen Raum in Beziehung zu setzen.
Sein Material besteht aus Linien, Schnitten, Buchstaben und Zwischen-
räumen. Die Linie ist verbindendes und signifikantes Element in den
zwei- sowie dreidimensionalen Arbeiten. Schon sehr früh erscheint sie
in Peter Downsbroughs Werk, sei es als Rohr oder Stab in Außen- und
Innenskulpturen (Two Pipes und Two Poles), als sich wiederholendes
Element in Fotografien, Büchern, auf Papier- und Wandzeichnungen.
Die Linien bilden einzeln oder als zwei meist parallellaufende Linien
Intervalle im Raum und ziehen so eine gesteigerte Aufmerksamkeit auf
ihren Umraum. Die Außenskulptur Two Pipes wird im Laufe des Jahres
bis Herbst 2022 sukzessive an mehreren Orten im Kölner Raum installiert. Damit wird die Folge dieses Skulpturenprojekts fortgeführt, das bereits Anfang der 1970er Jahre weltweit ihren Ausgang nahm.
(G.Th.Z.)
URSULA BUCHEGGER
LOLLIPOPS (2022)
EISEN, VERSCHWEISSTE PLASTIKTRINKHALME
Lollipops – klebrige Süßigkeiten am Stiel – sind seit Generationen in
nahezu allen Farben und Geschmacksrichtungen international beliebt.
Ob als Dauerlutscher oder Fruchtstiel-Bonbon, diese Süßigkeit gilt auch
in Deutschland seit langer Zeit für Jung und Alt als faszinierende Leckerei.
Berühmtheit erlangte sie nicht zuletzt durch Film und Fernsehen: Ohne
den roten Lolli zwischen den Lippen wäre sicher für Kojak in L.A. so
mancher Fall ungelöst geblieben. Dabei war es ursprünglich der Spanier
Enric Bernat, der sich die geniale Idee ‚von einem Bonbon an der Gabel‘
1959 patentieren ließ. Seine Mutter hatte ihn als Kind stets ermahnt,
seine klebrigen Finger nicht immer an der Hose abzuwischen.
Ursula Buchegger setzt dieser Süßigkeit ein Denkmal im Schlosspark.
Aus Ihrem reichhaltigen Depot an Plastiktrinkhalmen entwickelt sie auch
2022 eine schöne Idee. Auf Eisenstangen erheben sich nun runde und
ovale Formen, deren Farben und Strukturen im wechselnden Lichtspiel
spannende Effekte hervorzubringen vermögen.
(MF)
STEFANIE SEIZ-KUPFERER
ROUND (2022)
JUTESCHNUR, DRAHT, BAUMWOLLSTOFF, FASSADENFARBE
Das Gespinst „Round“ entsteht aus einer langen, bereits über zwanzig Jahre andauernden künstlerischen Beschäftigung mit der Metamorphose des Nachtfalters heraus. Die Objekte und Installationen, die Stefanie Seiz-Kupferer aus Fäden, Fasern und Schnüren schafft, behandeln die unterschiedlichen Phasen der Metamorphose vom Ei über die Raupe und den Kokon hin zum Nachtfalter. Mit der diesjährigen Arbeit zeigt die Künstlerin die Phase des bereits geschlüpften Nachtfalters auf reduzierte und zugleich ornamentale Art und Weise. „Round“ verbindet zwei Gestaltungsprinzipien der Nachtfalterflügel. Zum Einen greift die gefaltete Struktur der Installation metaphorisch die Form der Nachtfalterflügel, die sich beim Schlüpfen aus dem Kokon auffalten, auf. Zum Anderes verweist die runde ornamentale Form auf die Zeichnung der Flügel. Durch die bewusste Reduktion auf die Farbe Weiß wird die Konzentration auf diese beiden Gestaltungsprinzipien gelegt. Das Spannungsgefüge aus dem auf die Grundform des Faltens reduzierte Prinzip und der ornamentalen Oberflächenstruktur der Flügel lässt ein poetisches Objekt entstehen, das die Ordnungsprinzipien und die Formenvielfalt der Natur aufzeigt!
(SSK/PD)
PETER NETTESHEIM
HOLZBILDHAUERIN MIT SKULPTUR I, II UND III
STEHENDE MIT SKATEBOARD I, II UND III,
RADFAHRERIN
ROBINIENHOLZ, TEILWEISE FARBIG GEFASST
Peter Nettesheim führt in der diesjährigen Präsentation sein Konzept der Veranschaulichung des bildhauerischen Prozesses fort: Er ergänzt zwei der bereits vorhandenen Skulpturen um Varianten in unterschiedlichem Format. Die Größen der Figuren ergeben sich zum einen aus den gewählten Holzfundstücken, in denen der Bildhauer die Figur erkennt bzw. diese ‚hineinsieht‘; zum anderen betonen die verschiedenen Maße die Wichtigkeit von Räumlichkeit und Raumerfahrung für die künstlerische Auseinandersetzung. Das Thema der bildhauerischen Perspektive im Sinne von groß und klein, Nahsicht und Fernsicht, Schärfe und Unschärfe wird sowohl am einzelnen Objekt wie auch an der jeweiligen Figurengruppe deutlich. Die Beschäftigung mit der weiblichen Figur, der Holzbildhauerin und der Stehenden mit Skateboard wird von Peter Nettesheim augenzwinkernd als Kommentar oder mehr oder weniger dezenter Hinweis für ein mögliches Frauenbild beschrieben: „Lieber Kettensäge und Skateboard als High Heels“. (RR)
MARIO LANGE
KUBIKMETER POESIE (2013)
LEHM, STEINE
Was ist ein Kubikmeter? Die Antwort scheint leicht: Eine Volumeneinheit, die auf 1 x 1 x 1 Metern beruht. Soweit die Theorie. Möchte man diesen Kubikmeter aber raumplastisch und mathematisch absolut exakt dar-stellen, so stößt der Perfektionist schnell an seine Grenzen. Durch das verwendete Material und seine Oberflächenbeschaffenheit ergeben sich Ungenauigkeiten.
Von diesen Überlegungen ausgehend macht Mario Lange aus dem Problem eine Tugend: Sein Kubikmeter Poesie tut gar nicht erst so, als wolle er den (theoretischen) Idealzustand erreichen und weicht direkt mit seinen Kantenlängen von 1,51 x 1,51 x 1,51 Metern davon ab. Das verwendete Material, Lehm, ist ebenso denkbar ungeeignet die angesprochene Exaktheit zu erreichen. Und so bröselt das Ideal dahin… Praktisch gesprochen: Der Lehmquader wird sich im Laufe der Zeit durch die Witterungseinflüsse langsam verändern bzw. auflösen. In einem (malerischen) Zwischenzustand schließlich werden Erdpyramiden entstehen, wie man sie im Großen beispielsweise aus Tirol kennt. Nur hat die Natur dafür noch etwas länger gebraucht. (RR)
EMILIA NEUMANN
CLUSTER (2017)
BETON, STAHL, PIGMENT, KUNSTSTOFF
Nicht jede Arbeit im Schlosspark erschließt sich direkt beim ersten Hinschauen. Cluster ist eine solche Herausforderung. Handelt es sich hier um einen farbigen und strukturierten Betonbrocken? Um schimmerndes Gestein? Emilia Neumann zeigt uns, wie Kunst auch sein kann: rätselhaft, skurril, irritierend und unfertig. Cluster ist das überraschende Ergebnis eines ihrer Abformungsprozesse. Fundstücke wie z.B. Autoteile vom Schrottplatz dienen Emilia Neumann als Basis, aus denen sie Formen entwickelt, die mit farbigem Beton ausgegossen werden. So entstehen abstrakt anmutende Werke, die in ihrer Oberfläche zwar poliert und vollkommen wirken, bei genauerer Betrachtung allerdings Risse und Narben als Spuren des Verfalls entlarven. Es sind diese Paarungen wie Original und Abdruck, Oberfläche und Tiefe, Masse und Fragilität, Bewegung und Statik, die die Künstlerin sucht. Zerklüftungen und Krater entführen den Blick in imaginäre Welten. Sie regen uns zur eigenen sinnlichen Wahrnehmung des Werks an und lassen uns genügend Raum für Assoziationen. Übrigens: Cluster sind laut Duden verdichtete Ansammlungen von Gegenständen. (MF)
TRAUTLINDE MINUZZI
ALLES IM GRÜNEN BEREICH (2019)
MARMOR
Köstlich! Kaum ein Wort erscheint passender, die marmorne Skulptur der Künstlerin Trautlinde Minuzzi zu beschreiben. Schmunzelnd versunken in
die Betrachtung des dicken badenden Mannes mag man sich zugleich mit
diesem identifizieren. Er liegt so wohlig und genussvoll in seiner runden
Wanne, halb träumend, schwebend, lächelnd und völlig in-sich-versunken.
Dieses einfache Da-Sein birgt etwas Kindliches und Vollkommenes. Aus dem harten Stein gehauen und geschliffen schafft die Künstlerin eine weiche, sinnliche Figur, die unsere Empfindung anspricht. Je nach Jahreszeit wird
die Temperatur des Wassers von dem Besucher gefühlt: angenehm kühlend
in der warmen und mollig warm in der kalten Jahreszeit. Der dicke Mann
also nicht nur als Alter Ego der Künstlerin, die sich an die einfachen und
ebenso wunderbaren Kindheitsfreuden in der Waschbütt im sommerlichen Garten erinnert, sondern auch unseres. Was für eine Wonne! (PD)
WERNER MAGAR, DIANE MÜLLER (PUPLIK.ORG)
ZEBRA (2013)
BETON-GEHWEGPLATTEN
Mitten in einem Rasenstück verläuft eine weiß-grau alternierende Reihe breiter ‚Striche‘. Ähnliche Reihungen sind uns bekannt aus dem Straßenbild. Dort markieren solche Streifen einen Fußgängerüberweg, besser bekannt als Zebrastreifen. Diesen Namen verdankt das Verkehrszeichen, das den Fußgängern Vorrecht einräumt, den erfindungsreichen 1950er Jahren. Zum Glück hat sich zu damaliger Zeit ein Hamburger Vorschlag – Dickstrichkette – nicht durchgesetzt…
Aber handelt es sich wirklich um eine Art Zebrastreifen? Wem sollte hier Wege-Vorrecht gewährt werden? Und welche ‚Verkehrspunkte‘ sollten hier miteinander verbunden werden, besonders da die Wegeführung im Park von diesem Zeichen unabhängig verläuft?
Unsere Wahrnehmung schlägt uns schon mal gern ein Schnippchen: Selbst fehlerhafteste Texte wie die Aufforderung „Leesn Sie mla!“ werden blitzschnell eingeordnet und ‚verstanden‘. Angesichts eines grafischen Musters in einem Landschaftspark sollten wir mit unserer Wahrnehmung auf der Hut bleiben! (RR)
CLAUDIA HENSCHEN
GUSSSCHNITT (2013)
EICHENHOLZ
Eine rosafarbene Masse wirft sich wie eine Blase empor. Hat hier jemand ein überdimensioniertes Kaugummi platziert oder ein Riesen-Marshmallow geschmolzen? Das rosige, handschmeichlerische Etwas ‚tarnt‘ sich nur als weiche, leicht formbare Materie. Es handelt sich vielmehr um eine farbig gefasste Skulptur, die aus massivem Eichenholz besteht. Claudia Henschen bearbeitete den Eichenstamm mit Kettensäge und Stechbeiteln, schliff die Oberfläche ab, so dass das widerspenstige Material soft und nachgiebig erscheint. Dieser Eindruck wird durch die Wahl der farbigen Fassung – Rosa! – noch gestützt. Der Bildhauerin geht es um die optische Verwandlung des Ausgangsmaterials: von hart zu weich, von starr zu flexibel, von schwer zu leicht.
Besonders spannend wird sein Gussschnitt im Laufe des Jahres zu beobachten. Das Holz wird sich verändern, es wird Spannungsrisse und Dehnungsfugen zeigen. Wer genau hinschaut, kann unter der Fassung die typische Holzmaserung entdecken. Unter der Maske des gefügigen ‚Blubs‘ bleibt die Skulptur dem Ausgangsmaterial treu. (RR)
DIETRICH OEHLER
ARCHE NOAH, WELLAFORM,
KELTISCHER LEBENSBAUM (2002-2004)
BLAUBASALT
Die Basaltskulpturen von Dietrich Oehler zeichnen sich vor allem durch eine partielle und subtile Bearbeitung mit vielfältigen Bezügen und der gleichzeitigen Bewahrung der Integrität des Steins in seiner Säulenform aus. Wie der Keltische Lebensbaum. Die erhabenen, tapferen und hohen Kelten, wie der Name verrät, verehrten ihren Himmelsgott in Säulenform (sic.), der ‚Lebensbaum‘ erweist sich nun als verschlungenes vegetabiles Gebilde. Die ornamentierten Flechtbänder der Kelten versinnbildlichten einst helfende und abwehrende Kräfte. Ein schöner Gedanke.
Arche Noah und Wellaform weisen ein Merkmal auf, das für die Skulpturen des Steinbildhauers sehr typisch ist: die Behandlung der Basaltsäule als Stele mit abschließender Bekrönung. Während die Wellaform sowohl abstrakt als auch gegenständlich in Bezug z.B. auf die Wellenbewegungen des nahen Rheins aufgefasst werden kann, bleibt die Arche Noah im Erzählerischen. Vielleicht ist ja der Moment gemeint, in dem die bibli-sche Arche nach Abfluss der Sintflut auf dem Berg Ararat angelandet war. Vielleicht reckt die Säule aber auch den schwimmfähigen Kasten (lat. arca) empor, um ihn aus dem Vergessen zu retten. Erinnerungsarbeit. (RR)
UWE JÜRGENS
DER TANZENDE VITRUVMANN (2017)
EDELSTAHL
Leonardo da Vinci wählt 1492 für eine seiner Skizzen den Titel Vitruvmann
oder der vitruvianische Mensch. Sie zeigt die Figur eines Mannes mit ausgestreckten Armen und Beinen in zwei sich überlagernden Positionen. Sowohl Fingerspitzen als auch Scheitel und Fußsohlen der Gestalt sind in die Geometrie von Quadrat und Kreis einbeschrieben. Diese berühmte Proportionsstudie geht auf Ideen des römischen Baumeisters Vitruv zurück, der um 30 v. Chr. in seinen zehn Büchern
über Architektur u.a. Symmetrie und Proportion des menschlichen Körpers beschreibt. Beeindruckend in Größe, Gestalt und Beweglichkeit lässt Uwe Jürgens die Silhouette eines tanzenden Vitruvmanns in den Park einziehen. Inspiriert hat ihn die großartige russische Tänzerin
Maja Plissezkaja in einer choreographischen Version zum berühmten Orchesterstück Boléro von Maurice Ravel. In eleganten und ausdrucks-starken Bewegungen gibt sie sich der sich wiederholenden Melodie und dem einheitlichem Grundtempo brillant hin. Es sind die langsamen Armbewegungen, der sich biegende und beugende Oberkörper, Sprünge und energische Bodenfiguren, die Uwe Jürgens nun in Überlagerung dauerhaft sichtbar macht. (MF)
THIBAUT GANGLOFF
STAHL, LACKIERT
Ein Dreieck mit drei rechten Winkeln? Beträgt nicht die Summe der Innenwinkel eines Dreiecks 180 Grad? Stimmt, aber hier handelt es sich ja auch um eine Illusion, wie der Titel verrät. Thibaut Gangloff beschreibt das Phänomen: „Illusionen bringen uns dorthin, wo wir wünschen zu sein. Sie verleihen uns Flügel[…] “
Schon Giovanni Battista Piranesi hat im 18. Jahrhundert mit seinen Carceri (Kerker) Architekturfantasien entwickelt. Auch M.C. Escher und Roger Penrose sind im 20. Jahrhundert durch ihre optischen Täuschungen bekannt geworden. Thibaut Gangloff greift das Thema der unmöglichen Figuren mit seiner Installation Illusion auf. Sie zeigt eine Stahlplastik aus miteinander verschweißten Winkelprofilen auf einer abgeschrägten Rundsäule und einem etwa zehn Meter entfernten Stahlpult mit Guckloch, wodurch die Peilung möglich wird. Die Ansicht des Penrose Dreiecks erfolgt ausschließlich durch das Guckloch. (MF)
BIRGIT URBANUS
STAMMHEIMER SCHLOSSBOTE (2018)
FICHTENBOHLEN, PLEXIGLAS, SCHRAUBEN, METALLSTAB
Werden erfahrene Schlossparkbesucher das Material, aus dem dieser außergewöhnliche Briefkasten geschaffen wurde, erkennen? Vielleicht erinnern sich einige an die KUNSTAMLAUFENDENMETER, den riesigen Zollstock aus upgecycleten Gerüstbohlen, der den Besuchern des Parks sechs Jahre lang als Sitzbank diente. In diesem Jahr haben die Gerüstbohlen erneut ihre Form verändert und wurden zu einem Briefkasten, der scheinbar vergangenen Zeiten entstammt, umgebaut. Damals schienen persönlich mit Stift geschriebene Nachrichten als Brief oder Karte gang und gäbe zu sein und erfreuten, fand man sie in seinem Briefkasten. Diese Tradition lebt während der Pfingsttage als interaktives Kunstprojekt in Form einer kleinen Tauschbörse wieder auf. Der Schlosspark ist ein Ort der Begegnung und des Austauschs. Gibt es nicht manches Mal, an denen man anderen Parkbesuchern gerne etwas – sei es eine aufmunternde Botschaft, eine launige Nachricht, gar eine Liebeserklärung oder einfach seine Telefonnummer hätte zukommen lassen wollen? Der Schlossbote bietet die Gelegenheit und natürlich darf ihm im Gegenzug auch eine freudige Botschaft entnommen werden. Welcher Zeitpunkt – wenn nicht Pfingsten – würde sich besser eignen um liebevolle Grüße in die Welt zu senden und zu empfangen? (PD)
DR. GERHARD BONSE
OHNE WOHNUNG – MIT WÜRDE (2019)
FOTOS, LEINWAND, PULTSTÄNDER
Ob infolge kritischer Lebenssituationen, finanzieller Engpässe oder
gebrochener Biografien, der Weg zur Obdachlosigkeit kann ein kurzer
sein. Wer sind diese Menschen, die ihre Habseligkeiten unter Brücken,
auf Straßen oder öffentlichen Plätzen verteidigen? Welche Ereignisse
haben sie an den Rand der Gesellschaft gedrängt? Fragen, die sich auch
der ehemalige Forschungschemiker Dr. Gerhard Bonse stellt, seitdem
er, wie er sagt, mit offenen Augen durch Köln flaniert. Dabei schenkt er
den vom Leben gezeichneten Frauen und Männern, die nicht selten
Hunde zu ihren einzigen treuen Weggefährten zählen, Aufmerksamkeit.
Bonse interessiert sich für ihre Geschichten und begleitet sie voller
Respekt mit der Kamera. Es sind individuelle Persönlichkeiten, die sich
nicht ohne Stolz und mit Würde auf den Fotos präsentieren.
Sieben dieser zahlreichen Porträts haben nun ihren Platz an einem
Bauzaun im Schlosspark gefunden. Beigefügte Texte klären uns über die
dargestellten Protagonisten und ihren Lebensweg auf und helfen,
Vorurteile abzubauen.
Ein beachtlicher Beitrag und ein großer Schritt in die richtige Richtung!
(MF)
BERND AURY
WOLLE, EISENPIGMENT
Kaum etwas mag sich z.Z. besser als Anregung für eine künstlerische
Arbeit im Schlosspark eignen als die Misere um den ruinösen Zustand
des Ulrich-Haberland-Hauses. Mit seiner Installation Sleeping beauty
greift der Künstler Bernd Aury sehr passend die Idee des Märchens
von Dornröschen auf, indem er an den hundertjährigen Schlaf erinnert.
Auf den verschlossenen Fensterläden der abgerundeten Fassade
scheinen sich astähnliche Geflechte organisch zu winden, die inzwischen
ein ästhetisches Eigenleben führen. Noch sind sie grau, die Wollfäden,
die hier als Material dienen. Doch schon bald werden sie blutrot leuchten, denn die Wolle ist mit Eisenpigmentpulver imprägniert. Feuchtigkeit aus Nebel, Dunst und Regen setzt den Oxidationsprozess und die farbliche Veränderung des Materials in Gang. Auch die Struktur erfährt allmählich
eine Wandlung durch Witterungsbedingungen. Das vermeintlich
wuchernde Gestrüpp wird seine Wirkung nicht verfehlen und die Aufmerksamkeit zugleich auf das Dahinter und in diesem Fall auf den maroden Zustand der Bausubstanz lenken. Verschleiert wurde in der Vergangenheit so manche Planung, die eine Umnutzung des Gebäudes betraf. Im Märchen wird die Prinzessin wachgeküsst… (MF)
HERBERT LABUSGA
SCHLOSS MIT GRAFENPAAR (2002)
BETON, STAHL
Wo dereinst Freiherr Franz-Egon von Fürstenberg-Stammheim flanierte, lässt Herbert Labusga ihn nebst Gemahlsgattin und Schlossportal in Beton erneut erstehen. Wunderbar reduziert in der Form, ausgehoben aus der Erde, auf der er sein Schloss erbauen ließ. Von genau dort hatte der Fürst einen herrlichen Blick auf den ewig fließenden Rhein. Idee und Technik ergänzen sich – die Negativformen wurden in die Erde des Schlossparks eingegraben, Erde, die einst das Schloss und auch das Grafenpaar trug. Die Negative wurden mit Beton ausgegossen und mit Stahl verstärkt. Während der Aushärtung nahm der Beton auch Steine und Splitter des Erdreichs in sich auf (Findige können im ausgehärteten Beton auch einige Knochen entdecken…), so dass sich Vergangenheit
und Gegenwart im rundplastischen Werk vereinen.
Extra: Freiherr von Fürstenberg-Stammheim hatte sich ein kleines Fenster in Richtung Köln-City einbauen lassen, das optisch als Rahmen für den Kölner Dom fungierte! (RR)
ANDREAS ERB
BETON
Die Initiative Kultur Raum Rechtsrhein (KRR) hat bildende Künstlerinnen und Künstler eingeladen, sich für das Projekt ,Schloss im Park‘ im historischen Schlosspark Köln-Stammheim zu bewerben. Dabei ging es um künstlerische Vorschläge zur Kenntlichmachung der ehemaligen Residenz, dessen erster Bau urkundlich bereits 1637 erwähnt wurde. Ein Nachfolgebau mit Kapelle und Vorburg wurde 1944 zerstört. Die Fachjury hat sich für den Entwurf Kontur von Andreas Erb entschieden. Aus Kulturmitteln des LVR erhält der Künstler ein Preisgeld von 7.000 Euro. Herzlichen Glückwunsch, Andreas Erb! Der Künstler bildet den Grundriss des Schlosses im M. 1:50 nach und setzt diese vor Ort in Beton gegossenen „Miniaturschlösser“ in wechselnder Ausrichtung als Markierungspunkte der ehemaligen Umrisslinien ein. Er variiert die Plattenabstände, so dass sich auflösende Konturen im Geiste weiterzuführen sind. Für größere Betonplatten an den Eckpunkten ist eine spätere Nutzung als Infostelle zur Geschichte des Schlosses denkbar. Sechs Betonsteine zeichnen den Kapellenkranz im Westen nach, in deren Innerem ein zum Rhein ausgerichteter Spitzbogen als Hinweis auf den Dom und dessen Bedeutung für den Schloss-
herrn gelesen werden kann. Kontur führt uns Position, Ausmaße und Geschichte des Schlosses vorbildlich vor Augen und sensibilisiert eindrucksvoll für dieses verlorene Erbe. (MF)
BIRGIT URBANUS
SINN-DICH-PFAD (2019)
ALUMINIUMPLATTEN
Wer kennt ihn nicht, den guten alten Trimm-Dich-Pfad? Wem dieser immer schon ein wenig zu viel Drill im Beigeschmack hatte, erfreut sich sicherlich am Sinn-Dich-Pfad, der Mit-Mach-Aktion der Künstlerin Birgit Urbanus. Hier steht nicht das Trimmen des Körpers im Vordergrund, sondern der Spaß an der Erfahrung und Erweiterung unserer Wahrnehmung. Die Tafeln weisen uns ganz besondere Anleitungen zum Öffnen der Sinne! Doch: Wie viele Sinne besitzt der Mensch eigentlich? 5? 6? 7? Neben den 5 klassischen Sinnen Sehen, Hören, Riechen, Schmecken und Tasten, zählen Biologen den Gleichgewichts- und den Bewegungssinn auf. Der Sinn-Dich-Pfad spricht neun Sinne an. Welche entdecken und entwickeln Sie? Eines ist sicher, Sie werden froh gestimmt nach Hause gehen und sicher kommen Ihnen dabei einige tiefSINNige Gedanken, Ideen, Einfälle und Geistesblitze! (PD)
BJÖRN-ERIC KOHNEN
PLASTICS/TREES (2014)
FOTOGRAFIEN
Eine gelungene Idee: Mit diesem künstlerischen Beitrag bezieht Björn-Eric Kohnen die Architektur des Schlossparks ein. Das denkmalgeschützte Ulrich-Haberland-Haus als Nachfolgebau des im Krieg zerstörten Schlosses wurde in den 1950er Jahren als Altersresidenz von der Bayer AG erbaut und später als Studentenwohnheim genutzt. Seit Jahren steht es leer und befindet sich mittlerweile in einem bedauerlichen Zustand. Nun sollen Fotografien als Abbild der Natur einige der Fensteröffnungen schmücken und verstehen sich zugleich als eine Hommage an den wunderschönen Schlosspark. Die Fotografien wurden mit einfachen Plastikkameras im Park aufgenommen, wobei es nicht um technische Perfektion ging, sondern um den Zufall, der hier Regie geführt hat. Aber gerade diese Tatsache verleiht der Arbeit von Björn-Eric Kohnen einen ganz eigenen Charme! (MF)
BARBARA HAIDUCK
SCHILD, SIEBDRUCK AUF BLECH
Eine sensationelle Begebenheit macht die Künstlerin Barbara Haiduck zum Inhalt ihrer künstlerischen Arbeit: Die Geschichte über den Belugawal „Moby Dick“, der sich 1966 in den Rhein verirrt hatte und über Wochen die Region von Duisburg bis Bonn in Aufregung versetzte. Ein Schild am Rheinufer verspricht mehr Info – schnell das Pixelraster des QR-Code mit dem Handy einscannen und schon ist man mit der Website von Barbara Haiduck verlinkt und kann eine Audiodatei mit dem von ihr verfassten Text Beluga abrufen. Kleiner Trost für alle ohne das geeignete Kommunikationsmedium: Ein Foto auf dem Schild zeigt den Kopf des Wals. (MF)
HERBERT LABUSGA
DIE BÜRGER VON STAMMHEIM (2004)
STAHL
Befasste Herbert Labusga sich in Schloss mit Grafenpaar mit der Historie des Schlossparks, so geht es nun um die Gegenwart. In lebensgroßen Stahl-,Scherenschnitten‘ bevölkern Die Bürger von Stammheim die rheinnahe Rasenfläche. Und tatsächlich mag man – wer denn in Stammheim beheimatet – den ein oder anderen wiedererkennen. Noch im 19. Jahrhundert war das Raten von Persönlichkeiten mittels des Papier-Scherenschnitts ein beliebtes Gesellschaftsspiel. In dieser Tradition bietet Herbert Labusga nun die Möglichkeit, sich am aktuellen Gesellschafts- und Ratespiel zu beteiligen. Und mit einem Augenzwinkern verrät der Künstler, dass der Titel sich durchaus mit einer berühmten Bronzegruppe misst – Herr Rodin und Die Bürger von Calais lassen grüßen. (RR)
BRIGITTE METZMACHER
ASYL (2016)
MULTIPLEX-PLATTEN, LACKIERT
Es gibt Orte im Park, von denen eine besondere Strahlkraft, ein Hauch von Magie auszugehen scheint. Eine solche Stätte spürt die Künstlerin Brigitte Metzmacher für ihre aktuelle Arbeit Asyl auf.
Inmitten von fünf Linden, die sich zu einem Halbkreis gruppieren, präsentiert sie ein rotes Tor. Dieses Portal hat eine hohe Symbolkraft, stellt es doch den Übergang von Innen und Außen, von Intimität und Öffentlichkeit, von Zuflucht und Verfolgung dar. Das Überschreiten der Schwelle kündigt die Veränderung des Lebens an. An dieser Stelle wird etwas gewonnen oder geht etwas verloren. Asyl, Bleiberecht, Duldung oder Abschiebung entscheiden über das Schicksal der Flüchtenden. Asyl bedeutet Zuflucht und Schutz vor Gefahr und Verfolgung. Die Lindengruppe bietet einen geschützten Raum.
Wo könnte ein Aufruf zu Humanität und Integration wirkungsvoller sein, als an diesem stimmungsvollen Ort des Friedens? (MF)
MICHAIL STAMM
LILIENTHAL-MOPS (2004)
GUSSEISEN, BLATTVERGOLDUNG, BETONGUSS
Wie kommt der Mops auf die Säule? Keine Angst, niemand muss die Feuerwehr rufen, schließlich handelt es sich um den Lilienthal-Mops. Einer besonders alten Hunderasse kann man schließlich auch Flugambitionen zutrauen! Und fast wie sein berühmter Namens-
vetter Otto, ist wohl dieser Mops im Begriff, einen Mops-Gleitflug
über den Rhein zu absolvieren. Hier gebührt dem Künstler ein Dank
für diese herrlich ironische Bereicherung des Skulpturenparks –
übrigens, Hundebesitzer freut’s wohl besonders, wie kürzlich laut vernehmliches Lachen und Bellen vermuten lässt.
Extra: Am Mops entzündet sich immer wieder die menschliche Phantasie. Nachdem z.B. im 18. Jahrhundert der Freimaurer-Orden verboten worden war, gründeten die Adeligen kurzerhand einen Geheimbund, den Mopsorden. Hündisches Verhalten war hier an der Tagesordnung, so machte man sich an den Versammlungsorten zunächst durch Kratzen an der Tür bemerkbar… (RR)
ARMIN BENSON
GEGENWEHR (2003)
BAUMRUINE, STAHL
Den riesigen Torso eines alten verwitterten Baumes durchschlägt eine Rakete, eine ,blutige‘ Wunde verursachend. Gegenwehr. Wer wehrt sich gegen wen? Pathetisch: Die Weltpolitik holt uns ein. Anlass der künstlerischen Formulierung war die intellektuelle Auseinandersetzung mit dem Angriff der USA auf den Irak Anfang des neuen Jahrtausends. Unpathetisch: Die ,Schäl Sick‘ mag schließlich nicht jeder. Vielleicht ist ja auch der linksrheinische Skulpturenpark neidisch auf den schönen Schlosspark… (RR)
ATI VON GALLWITZ
„UND DER HIMMEL KENNT UNS NICHT“ (2015)
PAPPELHOLZ, KUPFER, VERGOLDUNG, SPIEGEL
Wenn sich im Herbst die Baumkronen lichten, geben diese die Sicht auf den Himmel frei. Es entsteht ein „Übermaß von Himmel“, wie Rainer Maria Rilke in einem Gedicht beschrieb, aus dem auch die Titelzeile stammt, die Ati von Gallwitz für ihre Holzskulptur gewählt hat. Der ausgehöhlte, subtil bearbeitete und umgedrehte Stamm wirkt auf dem Gras der Parkanlage fast wie ein überdimensionierter Blütenkelch. Eine spiralförmig eingelassene Kupferlinie verlockt den Besucher heranzutreten. Im Inneren der Skulptur ist am Boden ein Spiegel angebracht, in dem Himmel, Baumkronen und schließlich das Antlitz des Betrachters zu sehen sind. Während das eigene Spiegelbild jedoch in Gänze erfasst werden kann, setzen sich die Baumkronen im gesamten Park fort, darüber breitet sich die schier unendliche Weite des Himmels aus. Denn gerade in Bezug auf den Himmel verdeutlicht der Ausschnitt einen unlösbaren Gegensatz: Wir sehen eine unerreichbare Ferne, so nah sie hier auch erscheinen mag.
Wenn Sie den Blick in das Spiegelobjekt noch von einer anderen Seite betrachten mögen: Genau hier an diesem Ort, in dieser Installation haben Sie nun den ‚Himmel auf Erden‘. (RR)
HIAWATHA SEIFFERT
COOCON (2007)/ COCOON (2009)
STAHL, KUPFER
Aus der Ferne betrachtet hängt ein scheinbar amorphes Gebilde von einem Baum herab. Leise. Unaufdringlich. Die rotbraune Farbigkeit und die blättrige Struktur lassen an ein lockeres Knäuel aus Herbstlaub denken. Im Nähertreten formieren sich die ,Blätter‘ zu einem Gebilde aus Metallplättchen, das in leichter Krümmung eine herabhängende und sich aufrichtende menschliche Figur assoziiert. Anders aber, als der Titel denken lässt, handelt es sich bei Coocon/ Cocoon nicht um Hüllen, aus denen Lebewesen schlüpfen wird, Coocon/ Cocoon sind die Wesen, die entstehen. Gemäß der Ontogenese wird die Form ohne Verlust ihrer Organisation in einen anderen wesenhaften Zustand überführt.
Neues Leben!
Die beiden Arbeiten Coocon und Cocoon gehören ursprünglich zu-sammen und können nun – nach einer kurzen Trennung – im Schloss-park wieder zusammengeführt werden. Das macht Sinn, denn: „Wer hängt schon gerne allein auf weiter Flur an einem Baum, um sich zu entwickeln“? (Anm. d. Künstlers) (RR)
LINDA CUNNINGHAM
REMNANTS (ÜBERBLEIBSEL) (1997/2005)
BETON, STEIN, RUINENRESTE
Mit der Monumentalplastik Remnants erinnert die New Yorker Bildhauerin Linda Cunningham an die Gewalt und Zerstörungen der beiden Weltkriege zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Tatsächliche Ruinenfragmente aus Berlin sind in die Betonmasse eingelassen
und bewahren so die Vergangenheit in der Gegenwart. Die Bogen-form nimmt die Architektur gotischer Spitzbögen auf – Zerstörung meint neben dem Verlust an Heim, Heimat und Leben auch die Unwiederbringlichkeit kultureller Errungenschaften. Gerade das im
2. Weltkrieg zerstörte Stammheimer Schloss, dessen erster Bau urkundlich bereits 1637 erwähnt wurde, gehört zu diesem für Köln verlorenen Erbe. (RR)
BIRGIT BREBECK-PAUL
HELGA (2000)
STAHL
Helga hat sich für den Spaziergang im Park fein gemacht – mit ordentlichem, gegürtetem Kleid und Handtäschchen. Obwohl die figurinenhafte Stahlplastik auf die notwendigen Körperkonturen reduziert ist und ,Kleid‘ sowie ,Handtasche‘ aus Stahlbändern und -verstrebungen besteht, lässt sie ein überaus lebendiges Bild im
Kopf des Betrachters entstehen.
Tipp: Versuchen Sie doch einmal heraus zu finden, was dort in der
Tasche von Helga liegt… (RR)
TANJA CORBACH
DIE SPHINX (2019)
STAHL, SPIEGELLEISTEN
Das Profil des Kopfes oben auf der Stahlskulptur blickt sinnend in die Ferne. Von Weitem erscheint das Stahlelement, als habe es in der Mitte einen Durchbruch. Nähern wir uns, entpuppt sich dieser als langer, dünner Spiegel. Wir erkennen uns unvermittelt selbst im Park. Und wirklich eine Aufforderung „Erkenne Dich selbst“ – kein Zweifel, denn die Künstlerin Tanja Corbach hat eine moderne Sphinx geschaffen, keine geflügelte, kein Mischwesen, kein Kopf, der gerade noch aus dem Wüstensand ragt. Eine aufrechte, erhabene Figur. Ödipus erkannte das Rätsel der Sphinx, seine Antwort auf die geheimnisvolle Formulierung war: „der Mensch“. Ebenso geheimnisvoll wie das Rätsel bleibt die Antwort „Mensch“ und so stellt die Sphinx unverhohlen weiter existentielle Fragen zu unserem Tun, Denken und Handeln in der Welt. Die Fragen erscheinen so schwer, schwer wie der Stahl, die Antworten, die sie uns weist, nehmen die Schwere, wie die Luftigkeit des Parks, die sich um uns spiegelt. Liegt das Gute tatsächlich so nah? Wohl wahr! (PD)
BIRGIT URBANUS
DOMBLICKEN (2012)
EICHENBOHLE
Von der Schäl’ Sick aus hat man den besten Blick auf den Kölner Dom – da stimmen alle Deutzer zu. Aber von Stammheim aus? Franz Egon zu Fürstenberg-Stammheim hat es natürlich gewusst und sich im Schloss ein Fenster so einrichten lassen, dass es wie ein Bilderrahmen den Dom umfängt.
Birgit Urbanus errichtet kein neues Schloss im Park, wohl aber eine Holzstele, die wie ein ‚Fernrohr’ den Blick auf die Domspitzen fokussiert. Der gefräste Kopf der Stele trägt die Domspitzen, der Rheinverlauf ist aus dem Holz ausgesägt und dient als Wahrnehmungshilfe: HIER gibt es den Dom zu sehen! Das Geheimnis des Stammheimer Domblicks liegt in den Windungen von Vater Rhein, die großzügiger Weise trotz Industriebebauung und Baumbewuchs das ein oder andere Plätzchen
zum Domblicken frei hält.
Der Schäl-Sick-Standort-Vorteil lautet also: In Deutz und Stammheim kann man jeweils in einer grünen Oase bei Vogelgezwitscher und Sittichkrächzen bestens der Deutschen liebste Kathedrale bewundern…
(RR)
ANDREAS SCHMOTZ
OHNE TITEL (2011)
ROBINIENHOLZ, EDELSTAHLSCHRAUBEN
Nachdem Andreas Schmotz die Besucher des Schlossparks schon seit längerem mit seiner Befreiung der Parkbank erfreut, erweitert er hier das Konzept durch ein Objekt, bei dem Durchsteigen und Klettern gestattet und erwünscht sind. Diese zweckfreien Tätigkeiten dienen Kindern zum wortwörtlichen Begreifen einer räumlichen Situation – hier sollten sich auch die erwachsenen Besucher einmal versuchen: Die gesägten Holzbalken bilden einen Halbkreis und sind als eine Art Geflecht montiert. Stellt man sich in den Halbkreis, erfährt man die Balken auf der einen Seite als Begrenzung, auf der anderen als Öffnung. Die Begrenzung ist jedoch unterschiedlich durchlässig, kann mal durchstiegen werden, mal nicht. Körper und Raum, Offenheit und Geschlossenheit sind die zentralen Themen. Tipp: Während man selbst die ‚Raumerfahrung’ machen kann, wird man für die anderen Besucher des Parks als Teil des Kunstwerks sichtbar. (RR)
KALLE HOMMELSHEIM
SUNKEN SCULPTURES (2003)
STAHL, BETON
An einer Wegbiegung kann man kleine ,follies‘ entdecken – so nannte man in englischen Gärten zwecklose Gebäude mit besonders betonten Stilelementen (z. B. schiefe Häuser). Aber sind das wirklich ,follies‘? Diese geschweißten Stahlhäuser liegen nicht einfach schief da, sie sind teilweise eingesunken. Die sunken sculptures entstehen dadurch, dass der Künstler die Stahlhäuser in noch nicht abgebundene Beton-Gehwegplatten setzt. Dem Eigengewicht folgend versinken die Häuschen, bis der Beton verfestigt ist. Die Schieflage generiert sich also aus einem Prozess. Kalle Hommelsheim installiert hier ein Wegfragment, ein Überbleibsel, ein Mahnmal der Vergänglichkeit, eine Erinnerung an das verschwundene Schloss. (RR)
PETER H. WIENER
SERIE A (2007)
ALUMINIUMGUSS
Bewegung vollzieht sich stets über eine Strecke und über einen Zeitraum hinweg. Peter H. Wiener gelingt es in Serie A eine Art Anti-Zeitmaschine vorzustellen, eine manifest gewordene Sequenz der menschlichen Figur zu umreißen. Anti-Zeitmaschine meint, dass der zeitliche Moment einer Bewegung festgehalten ist und sich in jeder Sekunde gleich und dauerhaft ereignet. Das Sequenzielle wiederum beschreibt, dass dieser Bewegungsablauf beispielhaft zu verstehen ist, jedoch auf genauen Beobachtungen und Erfahrungen des Künstlers fußt. In der summarischen Reduktion des Körperlichen lenken die Plastiken zudem den Blick auf dessen Funktion und Bauweise. (RR)
BETTINA MEYER
FORM 4A-LÄUFER (2004)
BRONZE
Tänzerisch sportlich wie während einer Bodenturnübung bewegt sich diese organisch und jung anmutende Form mit einer Leichtigkeit, die mit dem Material Bronze kontrastiert. Zwei Tentakel ähnliche Auswüchse, tintenklecksförmige Glieder stützen sich auf der Erde ab und verleihen der Figur vorläufige Standfähigkeit. Mit den anderen beiden Extremitäten assoziiert man einen Kopf oder ein erhobenes Bein. Schlägt die Figur ein Rad? Dehnt sie sich zur Vorbereitung eines Laufes? Und gerät sie gleich aus dem Gleichgewicht? Formen und Zustände scheinen in ständiger Metamorphose ineinander zu verlaufen. Spannend ist das festgehaltene Ausbalancieren zwischen Stabilität und Mobilität. Gehen Sie einmal um die Bronze-Plastik herum und entdecken Sie mehr! (MCR)
HEIKE ENDEMANN
EINSICHTEN (2015)
HOLZ, FARBIG GEFASST
Die Bildhauerin Heike Endemann wählt als Material vorwiegend Holz.
Frisch gefällte Bäume, die aus Sicherheitsgründen weichen mussten, bieten den organischen Werkstoff für ihre Arbeiten. Es sind die unterschiedlichen Farben, Strukturen, Gerüche und Oberflächen, die sie inspirieren. Die besonderen Merkmale eines jeden Holzstücks arbeitet die Künstlerin mit Kettensäge und Stechbeitel heraus. Für die rot gefasste Holzskulptur, die ihren Ort als hängendes Objekt in dem Baumbestand des Schlossparks gefunden hat, entschied sich die Künstlerin für Mammutbaumholz. Das Ausgangsmaterial stammt von der Insel Mainau unweit ihrer Werkstatt in Radolfzell und findet nun im Kunstwerk weiterhin erkennbar den Weg zurück in die Natur. (MF)
NAOMI AKIMOTO
FLÜSTERNDE FRÜCHTE (2017)
KERAMIK
Die Elemente der Natur – Erde, Wasser, Luft und Feuer – sind es, die die gebürtig aus Osaka stammende japanische Künstlerin Naomi Akimoto inspirieren. Mit dem natürlichen Material Ton gelingen ihr poetische Arbeiten, die ihre tiefe Verbundenheit mit der Natur zum Ausdruck bringen. Ton entsteht durch Verwitterung und Zersetzung verschiedener Gesteine und lagert als Erdschicht im Boden. Im feuchten Zustand lässt er sich verformen, trocknet er, so wird er spröde und brüchig. Erst durch den Brand im Feuer gewinnt er Festigkeit und wird zur Keramik. Naomi Akimoto hat mit Hilfe dieser traditionsreichen Handwerkskunst ein Klangspiel geschaffen. Mehrere kleine rote Körper aus Keramik hängen an Schnüren von Ästen herab und lassen uns bei Wind eine Melodie vernehmen. Denn dieses Naturelement ist es, das die kleinen Kunstwerke in Bewegung setzt. Erst durch das gegenseitige Anschlagen, Vibrieren und Schwingen entstehen Klänge, die womöglich von flüsternden Früchten erzeugt werden. (MF)
HERMANN J. KASSEL
ZURÜCK ZUR NATUR (2019)
EDELSTAHL, VS-GLAS, LEINWANDDRUCK
Auf einem planen Wiesenstück lässt Hermann J Kassel einen Stahlglasrahmen wie eine Intarsie ein. Um diesen Rahmen herum wird der Rasen abgeflämmt, so dass sich eine quadratische Fläche mit dem Tableau in der Mitte ergibt. Ungeschützt auf dem Erdboden sind die „Seerosen“ Claude Monets, die als Kunstdruck dem Glas hinterlegt wurden, den Transformationsprozessen der Natur ausgeliefert: den organischen Prozessen, den Elementen Licht und Feuchtigkeit, Hitze und Kühle. Die Seerosen – ein Abbild des üppigen Garten Monets, in dem jeder Grashalm, jedes Blatt, jeder Lichtreflex auf dem Wasser zu einem kunstvollen Pinselstrich wurde – diese Natur, die zu einer Ikone der klassischen Moderne wurde, wird wieder von der Natur eingenommen. Die Wiedereinnahme der Kunst durch die Natur findet in künstlerischem Rahmen, in dem definierten Raum hinter der Glasfläche des Bilderrahmens statt. Das Abflämmen des Rasens um das Tableau herum wird von Zeit zu Zeit wiederholt. Wie wird wohl die Fauna und Flora des Stammheimer Schlossparks den Monet`schen Garten in den nächsten Monaten durchdringen? Wir observieren und staunen… (PD)
NATHALIE MARTIN (IMPROMPTU INTERVENTIONEN)
GRÜNE LEITPLANKE (2018)
METALL, TOTHOLZ, STEIN, BETON
Was wie eine schmale hölzerne Stele inmitten des Parkgrüns emporragt, entpuppt sich bei näherem Hingehen als Insektenhochhaus. Die Insekten haben sich das Wohnen in der Stadt angeeignet, Natur und urbanes Leben durchdringen sich! Diese Durchdringung ist programmatisch für die Arbeit Nathalie Martins und des IMPROMPTUCamps, eines Netzwerks aus Künstlern, Biologen, Gärtnern und Musikern. Dient uns die Grüne Leitplanke doch nicht mehr als Schutz oder Abschirmung der Straße von der Böschung, sondern -von der Horizontale in die Vertikale gesetzt – geleitet sie uns durch das grüne Leben des Parks.Können Sie alle Blätter der Sie umgebenden Bäume bestimmen oder fällt es Ihnen leichter, die Labels bekannter Marken zu erkennen und zu bestimmen? Dann gehören Sie zur Zielgruppe des IMPROMPTUCamps! Nach dem Motto „Wären alle Limonaden im Getränkemarkt ohne Etikett, für welche würden Sie sich begeistern? Wir zeigen, was der Grünstreifen zu bieten hat.“ erhalten die Parkpflanzen Etiketten und Labels. Hat die ansprechende Bezeichnung Interesse geweckt, so kann der Parkbesucher den QR-Code auf der Leitplanke scannen und dadurch nicht nur die Pflanze bestimmen, sondern auch Wissenswertes zur Nutzung der Pflanze erfahren. Bitteschön! Man bediene sich der Natur wie in einem Supermarkt, lasse sich von den – ungeahnten – Verwendungsmöglichkeiten bezaubern und merke: die Pflanzen stehen „in promtu esse“ – zur Verfügung. (PD)
LINDA CUNNINGHAM
ENTWICKELN, ENTDECKEN, ENTHÜLLEN (1992)
STAHLTRÄGER, BRONZE (SANDGUSS)
Die dreiteilige, teils überlebensgroße Metallplastik entstand anlässlich des 1. Internationalen Tanzfestivals parallel zur documenta 1992 in Kassel in Zusammenarbeit mit dem Tänzer Ismael Ivo und dem Pianisten Takashi Kako. Trotz der deutlich tänzerischen/semifigürlichen Komponente entsteht auch der Eindruck von Monumentalität durch die Stelen- bzw. halben Bogenformen. Stahl und Bronze wirken zudem wie aufgerissen, an den Rändern zerfetzt und zerrissen. Der Werkstoff Stahl ist in diesem Zusammenhang von besonderer Bedeutung – Stahl gibt der modernen Zivilisation – besonders im städtischen Umfeld Kontur und Halt. Hier wickeln sich Stahl und Bronze im Sandgussverfahren, das den Charakter des Spröden, Widerständigen der Bronze unterstützt, um einen leeren Raum. Form und Material bleiben ambivalent. (RR)
UDO UNKEL
ISOLATION (2017)
STAHL, HOLZ
Verloren und abgeschottet von der Umgebung steht sie auf einer Plattform: Die menschliche Figur aus Holz, die von einem futuristischen Stahlgerüst überfangen ist. Zerrissenheit und Fragilität versus technische Perfektion. Der Bildhauer und Objektkünstler Udo Unkel wirft mit seinen Installationen Fragen auf, die die menschliche Existenz betreffen. Wie steht es um die Chancen der Persönlichkeitsentfaltung in der zunehmend technisierten und digitalisierten Lebenswelt? Welche soziale Position nimmt der Mensch ein? Isolation lautet der Titel der Arbeit, die uns vor Augen führt, wie weit sich die Abhängigkeit vom Datennetz entwickelt hat. Optimiert die Technik einerseits Prozesse im Alltag, durchdringt sie andererseits die menschliche Lebens- und Arbeitswelt, bedeutet Bevormundung und nicht zuletzt den Verlust der persönlichen Freiheit. Zwei Materialien, die unterschiedlicher nicht sein könnten: Traditionsreicher Naturwerkstoff Holz trifft auf Stahl als eine der technischen Grundlagen der industriellen Moderne. (MF)
GERDA NETTESHEIM
KLANGOBJEKTE (2002-2005)
HOLZ, SCHRAUBEN, DRAHT
Bildhauerei und Musik. Beide Kunstgattungen beanspruchen einen gewissen Raum für sich: Allerdings konzentriert das bildhauerische Werk seine Form dauerhaft im Raum, während die Musik nur temporär in der Lage ist, Raum zu füllen. Nun werden hier im Schlosspark die beiden ,Raumkünste‘ von Gerda Nettesheim virtuos verbunden: Es gibt Klangbänke, eine Klangwippe, eine Dreiecksharfe Nr. 1, Klangsäulen und Klangstühle. Form und Klang, Bildhauerei und Musik – die interaktiven Klangobjekte laden zum Mittun ein. Tipp: Unbedingt mal den Kopf in eine der Klangsäulen stecken und die Saiten bespielen! (RR)
PETER MARTH, STEPHANIE SCHRÖTER
DIE WA(R)TENDEN (2013)
BETONGUSS
Drei Figuren scheinen inmitten ihrer Bewegung zu eingefroren zu sein. Hintereinander, bis zu den Oberschenkeln im Boden versunken, tendieren sie in Richtung Rhein. Wer den Park gut kennt, weiß, dass genau in dieser Richtung am Flussufer auch der Kölner Dom zu sehen ist.
Der Titel der unterlebensgroßen, menschlich wirkenden Betonplastiken lässt zwei Lesarten zu, die durch das eingeklammerte r deutlich werden: Die Watenden und Die Wartenden. Als ‚Watende‘ haben die Figuren im Boden des Schlossparks deutliche Widerstände zu überwinden, die sie jedoch anscheinend gemeinsam (sich an den Händen haltend) zu überwinden bereit sind. Als ‚Wartende‘ verharren sie trotz des gemeinsamen Bewegungsimpulses in eben dieser Position – vielleicht um den Betrachtern die Möglichkeit zu geben, sich ihnen (gedanklich oder de facto) anzuschließen? Die Positionierung der Plastiken ist jedenfalls so angelegt, dass sowohl vor als auch hinter der Gruppe eine weitere (Ein-)Reihung möglich ist. In jedem Fall verweist das gemeinsame, positive Tun auf das Ideal der Solidarität, auf das Handeln im Sinne der Gemeinschaft. (RR)
ARMIN BENSON
FIREWALL (2009)
STAHL, HOLZ
Im Schlosspark geschieht es leider immer wieder, dass Bäume aus unterschiedlichen Gründen absterben. Falls sie keine Gefahr für die Besucher darstellen, bleiben sie als Baumruinen erhalten und gemahnen an die auch durchaus zerstörerischen Kräfte der Natur.
In eine solche Baumruine platziert Armin Benson eine Stahlbetonwand, die durch ihre rote Signalfarbe auf ihre Funktion verweist. Es handelt sich um eine Firewall, also um eine ,Brandwand‘. Den Begriff der ,Firewall‘ kennt man aus der EDV – anhand festgelegter Regeln wird der Datenverkehr zwischen unterschiedlichen Netzen geregelt. Die in die Natur integrierte Firewall symbolisiert darüber hinaus den Schutz vor weiterer Zerstörung. (RR)
JÜRGEN SCHUBBE
PEAKY BLINDERS (2016)
LÄRCHENHOLZ
Die Arbeiten von Jürgen Schubbe konzentrieren sich auf den Menschen. Köpfe und Gesichter sind beliebte Motive in seinen Bildern und seit 2015 auch Hauptthemen seiner Skulpturen. Für den Beitrag im Schlosspark wählte der Künstler Lärchenholz, aus dem er mit der Kettensäge einen überdimensionalen Kopf herausgearbeitet hat. Handelt es sich hier um das Abbild eines Übeltäters oder ist ein Opfer brutaler Gewalt gemeint? Tiefe Furchen, dunkle Augenhöhlen, ein offener Mund, der die Zahnlücken hervortreten lässt und eine angeschlagene Nase charakterisieren ein Porträt, das überaus expressive Züge trägt. Peaky Blinders ist der Titel dieses beunruhigenden Antlitzes, das aus einer gleichnamigen Reihe von aktuell 22 Skulpturen stammt. Inspiriert hat Jürgen Schubbe eine britische Dramaserie , die in den 1920er Jahren spielt: Peaky Blinders – Gangs of Birmingham. Hauptfigur ist der Gangsterboss Thomas Shelby. Im Untergrundmilieu der Bande werden alle Facetten des menschlichen Lebens aufgedeckt. Und gerade diese Spuren von unfassbarer Brutalität über Fürsorglichkeit bis zu tiefer Liebe sind es, die in den jeweiligen Gesichtern der Reihe ihren Ausdruck finden. (MF)
GERTRUD STRACKE
SCHUTZSCHILDE (2003)
KERAMIK, PORZELLAN-ENGOBE
Ganz still liegt der Pfad entlang der Begrenzungsmauer des Parks. Längliche, spitz zulaufende Ovalformen zieren die Mauer. Die Schutzschilde von Gertrud Stracke bieten einen recht umfassenden Schutz: Zwei Ostschilde, ein Westschild, zwei Südschilde, ein Nordschild. Ein Schild für jede Himmelsrichtung zu haben, ist ein tröstlicher Gedanke, wenngleich das Material dem zu widersprechen scheint.
Die Schilde bestehen aus gebrannter Keramik, bemalt mit Porzellan-Engobe. Die materielle Welt erweist der geistigen ihre Referenz. (RR)
GISELA GROSS
STAMMHEIMER HÄUSER (2002)
STAHLBLECH, ACRYLFARBE
Malerei in einem öffentlichen Park geht nicht? An der Mauer, die den Skulpturenpark von der sich anschließenden Wohngegend abgrenzt, leuchten intensiv vier Acrylgemälde auf Stahlblech! Inspiriert durch die Architektur Stammheims verewigt Gisela Gross in klaren Farben und Formen Stammheimer Häuser. Ganz wie im ,wirklichen‘ Leben – analog zu ihren architektonischen Schwestern – verändern sich die Arbeiten unter den unterschiedlichen Witterungseinflüssen. (RR)
ANDREAS „MOLINO“ MÜLLER
INTRIGACIÓN (2017)
DOPPEL T-EISEN
Es könnte kaum eine bessere Kulisse für das Kunstwerk Intrigación geben als in diesem friedlichen, von uraltem Baumbestand, weiten Grünflächen und Wildwuchs geprägten Areal direkt am Rhein. Zum Eröffnungswochenende an Pfingsten wird der Schlosspark ein weiteres Mal zu einem Ort der Begegnung, an dem es gerade das Zusammenspiel von Kunst und Natur ist, das Menschen aller Schichten aus verschiedenen Nationen und Kulturen zusammenführt. Andreas „Molino“ Müller wählt dieses Idyll, um ein Ensemble aus Stahlobjekten aus dem Boden wachsen zu lassen. Vier geschmiedete Werke unterscheiden sich in Größe, Form und Farbe. Nicht alle erscheinen wohlgeformt und makellos. Es gibt – wie im gesellschaftlichen Gefüge – Angepasste und Außenseiter. Aufrecht oder gebeugt: ihre Haltung verrät viel über den sozialen Status. Intrigación ist als neue Wortschöpfung aus integración und intriga zu verstehen. Der Künstler reflektiert ein Thema, das aktueller nicht sein könnte. Wie steht es mit der Eingliederung von Immigranten? Zuwanderer, die notgedrungen ihre Heimat verlassen mussten, stranden in einer ihnen fremden Welt. Migration bedeutet eine einschneidende Veränderung im Leben der Menschen, denn zerrissen sind ihre familiären und sozialen Strukturen. (MF)
BEATE HALTERN
PFLANZENMENSCHEN –
ALLESISTEINSNICHTSISTGETRENNT (2019)
KÜNSTLERBETON
Die Natur bietet Mensch, Tier und Pflanze einen bedeutenden
Lebensraum. In ihrer Vielfalt und Schönheit übt sie gemeinhin eine
wohltuende und beruhigende Wirkung auf Körper und Geist aus.
Das Zusammenspiel von Mensch und Natur ist ein wiederkehrendes
Thema im Werk der Künstlerin Beate Haltern. Im Schlosspark findet
auch ihre neueste Arbeit ALLESISTEINSNICHTSISTGETRENNT in
unmittelbarer Nachbarschaft zu den bisherigen Beiträgen Wächterpaar
und Verkörperung eine ideale Kulisse. Allerdings scheinen sich die drei
schlanken organisch anmutenden Figuren in ihrer Haltung zu winden,
gar voneinander abzuwenden, als seien sie unangenehm berührt von
etwas. Es ist der menschliche Umgang mit der Natur, der sie beschämt.
Wie steht es um Lebensräume wie Meere, Flüsse und Wälder?
Industrialisierung und zunehmendes wirtschaftliches Gewinnstreben
bedrohen Ökosystem, natürliche Ressourcen und Artenvielfalt. Themen
wie Natur- und Umweltschutz sind nicht hoch genug einzuschätzen, denn
andernfalls wird den nachfolgenden Generationen mehr und mehr die
Lebensgrundlage entzogen. (MF)
JOHN M. BACHEM
LEICHT UND SCHWER ,GEPAART‘ (2004)
WEIBERNER TUFF
Zwei Figuren erheben sich in enger Umschlingung. Beim Umschreiten der Skulptur vollzieht sich ein eigentümlicher Wandel – mal verdeckt die eine behütend die andere, mal scheint die eine die andere abzustoßen. Von ebensolcher Kontrastierung zeigt sich auch die Formgebung: weibliches Rund versus männliche Kanten, entblößte Formen versus weitschwingender Mantel. Aber jede der Einzelfiguren zeigt sich dem Titel gemäß leicht und schwer – so hebt beispielsweise die unbekleidete weibliche Figur ihr rechtes Bein ,leicht‘ im Winkel an, während ihr Kopf ,schwer‘ an der Schulter der männlichen Figur lastet. Besonders reizvoll: Die Natur arbeitet an dem steinernen Paar mit und sorgt für eine ergänzende, grüne Patina. (RR)
PAUL JONAS PETRY
BACH, BEETHOVEN & BRAHMS (2003)
STAHL, ROST
Die Titel der monumentalen Stahlquader verraten, es handele sich hier um Bach, Beethoven & Brahms. Aha. Die Namensgebung erscheint auf den ersten Blick willkürlich. Hier hilft die präzise Beobachtung weiter: Ein Würfel, ein hochrechteckiger sowie ein längsrechteckiger Quader teilen sich ein gemeinsames Grundmaß von 50 cm, das vom Würfel vorgegeben und von den beiden anderen variiert wird. Im Inneren des jeweiligen Quaders ziehen sich die Öffnungen auf Basis von Radien mit demselben Maß ein. Die angewandte Maßästhetik verdeutlicht die Analogie von Musik und Bildender Kunst als ‚Schwesternkünste‘, besonders im Hinblick auf die drei großen deutschen Komponisten: Bach, mit perfekter Kompositionstechnik und mathematischer Präzision, versinnbildlicht der Würfel. Beethoven nahm mit der Vereinigung von Harmonie und Disharmonien moderne Kompositionsformen vorweg, sein Quader tritt in der Höhe aus dem Grundmaß heraus. Brahms veränderte die Orchesterfarbe durch dunkle, wuchtige Klänge, sein Quader ist der breiteste und übertrifft ebenfalls das Grundmaß. Die Namen der Stahlplastiken folgen einem subtilen künstlerischen Konzept, das Form und Inhalt ideal in Dialog bringt. (RR)
GILBERT FLÖCK
HUNDEMEUTE (2013)
STAHL
Die Gräfin zu Fuß von Gilbert Flöck ist ein wunderbares Denkmal für eine Anekdote aus der Geschichte der Grafen zu Fürstenberg-Stammheim. Ein Nachkomme von Franz Egon – dem wir den Schlosspark verdanken – hatte sich eine rassige Ungarin als Gemahlsgattin auserkoren. Diese sorgte im friedlichen Stammheim durch ihre Allüren (öffentlich Zigarre rauchen!) für anhaltenden Gesprächsstoff und für neugierige Blicke der extra anlandenden Fischer. Der Spitzname unter den ‚Fachleuten‘ für diese außergewöhnliche Dame lautete übrigens „Die Loreley von Stammheim“! Gilbert Flöck führt uns in diesem Jahr nicht nur die Gräfin vor Augen, sondern sorgt auch für die standesgemäße Eskorte: Eine Hundemeute begleitet nun wachsam ihre in den Stahlplastiken eingefangenen Schritte. In beeindruckender Konturenführung umreißt Gilbert Flöck die Figuren – es handelt sich quasi um ‚Luftzeichungen‘, ins Dreidimensionale übertragen. Diese sind so treffend ausgeführt, dass die Szenerie jeden Moment lebendig werden kann.
Kundige werden sicher die einzelnen Hunderassen sofort erkennen können. (RR)
FOERST, HERTERICH & KAISER
LEBENS-BAUM (2011)
STAHL-DRAHT
Beim Anblick des Baumstumpfes im Schlosspark haben wir ein be-klemmendes Gefühl und werden uns der Vergänglichkeit des Lebens bewusst. Was hat es mit dieser alten, in Mythen beschworenen und in Liedern besungenen Freundschaft auf sich? Im Baum findet der Mensch sein schönstes Gleichnis: Er steht aufrecht wie der Mensch, das Fallen der Blätter im Herbst wird oft mit dem Lebensabend des Menschen verglichen. Und sind der Mensch und der Baum nicht individuell einzigartig und gleichzeitig ein Teil einer Gemeinschaft? Der aufrechte Baum – Sauerstofflieferant und Garant für fruchtbaren Boden – steht für das Leben, verbindet mit seinen Wurzeln und seiner in schwindenden Höhen ragenden Krone die dunkle, schattige Erde mit dem lichten, sonnendurchfluteten Himmel. Die Künstlergruppe Herterich lässt fünf locker geschlungene, blickdurchlässige Stahl-Draht Figuren die Baumruine erobern. Eine Figur balanciert mit ausgestreckten Armen offen und freundlich auf der Baumstumpfkante mit dem stilisierten Gesichtsprofil in Richtung Park: Ist es Zeit für neue Hoffnung? (MCR)
TOBI MÖHRING, PAUL TER VELD
MIND THE GAP! – DIE UNERREICHBARKEIT
DER PARKBANK (2012)
STAHL, FURNIEREISEN, EFEU
„Hier sein oder nicht hier sein, das ist die Frage.“
Beim Flanieren im Schlosspark, aber auch in allen anderen Parks, ist es zwischendurch nett, wenn man sich hinsetzen kann. Die Füße haben Ruhe, der Rücken zwickt nicht mehr, und die Gedanken können ihre eigenen Wege gehen. Was aber, wenn der eine Platz schon besetzt und der zweite Platz eine Lücke ist? Diese Lücke hat die Silhouette einer menschlichen Figur. Sie verweist auf alle, die nicht die Möglichkeit haben, die Rastplätze in Parks zu nutzen. Spontan fallen einem alle ein, die körperlich nicht in der Lage sind, dieses Freizeit-Angebot zu nutzen. Menschen aber, die in Deutschland leben, aber nicht als legale Bewohner anerkannt sind, haben die sogenannte ‚Residenzpflicht’. Sie können sich nur in einem sehr eingeschränktem Bereich frei bewegen. Aus diesem Grund ist unser schöner Schlosspark für viele Menschen tatsächlich unerreichbar. Die Stahlplastik mit menschlicher ‚Lücke’ möchte an diese fehlenden Besucher und Gesprächspartner erinnern und dadurch zumindest schon mal die Lücke in unseren Köpfen schließen. (TM/PtV/RB)
ANNO BERGMANN
TEEKESSELCHEN (2012)
ALUMINIUM, HOLZ, PLASTIK, ACRYL
Haben Sie einen Lieblingsplatz im Park? Dann haben Sie vermutlich einen Park-Platz. Das macht sprachlich schon richtig Spaß. Anno Bergmann verdeutlicht den Sprachspaß nochmals auf intelligente Weise. Er versieht ein Parkplatz-Schild mit einem Bügelschloss. Wir haben hier also einen Schloss-Park-Platz vor uns. Wer hätte den nicht gerne? „Mein Teekesselchen ist…“ vergleicht spielerisch Gleichlautendes mit unterschiedlichen Bedeutungen. Wir leben in einer Welt, in der auf rasante Weise Elemente aus anderen Sprachen – vornehmlich aus dem Englischen – übernommen werden. Email oder E-Mail? Das eine ist ein Schmelzgussverfahren, das andere ein Kommunikationsmedium. Manchmal ist die Aussprache ja hilfreich, aber versuchen Sie einmal, mit jemandem flüssig über Waldzwerge und Walzwerke zu sprechen…
Dieses wunderbare Teekesselchen hilft uns über die Orientierung im Sprachdickicht nachzudenken. Und uns vielleicht wieder ein bisschen besser zu verstehen. (RR)